Wie widerstandsfähig ist BRICS im Sturm der Geopolitik? – Teil 3
Einleitung
In ersten Teil dieser Serie befassten wir uns mit den Fakten zu BRICS und den grossen wirtschaftlichen Tendenzen, die man gegenwärtig beobachten kann.
Im zweiten Teil ging es um das Umfeld, in welchem sich BRICS als die wichtigste Organisation des Globalen Südens entwickeln muss. Wir beurteilten die kriegerischen Umstände im Allgemeinen, die grosse Gefahr, welche von einem Nuklearkrieg ausgehen würde und die Unvorhersehbarkeit der geopolitischen Lage, welche uns dazu veranlasst, die gegenwärtige Situation als «Sturm» zu benennen.
Im diesem dritten und späteren vierten Teil werden wir zuerst die aggressive Haltung der USA gegenüber ihren Freunden aufzeigen. Danach weisen wir auf die schwierige wirtschaftliche Situation der USA hin, die aufgrund des KI-Hypes besser scheint als sie ist. Dann beschreiben wir die Bestrebungen der USA, ihren Hegemonenstatus in verschiedenen geographischen Einzugsgebieten zu erhalten.
Aggression über alles – gegen alle
Man muss über keinen sehr hohen Intellekt verfügen, um zu erkennen, dass das Tauziehen zwischen dem Globalen Süden und dem Kollektiven Westen bereits im vollen Gange ist, dazu äussern wir uns weiter unten anhand von konkreten Beispielen.
«Wer Amerika als Freund hat, braucht keine Feinde»
Das aggressive Vorgehen der Vereinigten Staaten beschränkt sich jedoch nicht etwa auf Mitglieder des Globalen Südens bzw. BRICS-Exponenten, sondern richtet sich gegen alle, bei denen etwas zu holen ist. Das schliesst Länder ein, welche «Freunde» von Amerika sind – wie etwa die Schweiz – oder Kolonien Amerikas, wie die meisten Mitglieder von G7 und weitere. Meine Gedanken zum «Kolonialreich der USA» siehe im Beitrag «Der Krieg zweier Welten hat begonnen – Teil 1».
Die Gangart Trumps gegen Freunde und Verbündete ist derart aggressiv, dass man geneigt ist zu sagen, „wer Amerika als Freund hat, braucht keine Feinde“. Für dieses aggressive Verhalten gibt es handfeste Gründe. Einerseits setzt sich Trump das Ziel gesetzt, sein Land zu re-industrialisieren. Dies, nachdem die Wallstreet-Banker, unterstützt von Präsident Clinton und seinen Nachfolgern, das Land vorsätzlich de-industrialisiert hatten, nur um sich kurzfristig die Taschen zu füllen.
Diese Strategie hatte als Nebeneffekt auch die Verstärkung der ungleichen Einkommensentwicklung in den verschiedenen Bevölkerungsschichten zur Folge, was auch dazu führte, dass wenige stark von dieser Strategie profitierten und viele Industriearbeiter ihren Job verloren und verarmten. Eine weitere Folge davon ist der Verlust industriellen Knowhows in der Bevölkerung.
Trump hat erkannt, dass er etwas unternehmen muss. Ich bezweifle jedoch, dass er Multipolarität und somit das Konzept von BRICS intellektuell versteht. Er hat nicht mal eine Ahnung, welche Mitglieder BRICS angehören. So äusserte er sich am 21. Januar 2025 und fragte Journalisten, ob Spanien nicht eine BRICS-Nation sei.
Weiter glaubte Trump noch im Januar 2025, er könne BRICS lediglich mit Zöllen respektive Sanktionen in die Knie zwingen. Er drohte BRICS auch für die Nichtnutzung des Dollars:
«Wir werden von diesen scheinbar feindseligen Ländern eine Zusicherung verlangen, dass sie weder eine neue BRICS-Währung schaffen noch eine andere Währung unterstützen werden, um den mächtigen US-Dollar zu ersetzen, andernfalls werden sie mit 100% Zöllen konfrontiert werden.»
Präsident Trump, 30. Januar 2025
Trump scheint erkannt zu haben, dass BRICS für die US-Dollar-Hegemonie eine Gefahr darstellt. Dass die USA die Vermeidung des US-Dollars im Globalen Süden ihrem eigenen Verhalten zuzuschreiben haben, weil der Hegemon seine eigene Währung als Waffe einsetzt, scheinen die Amerikaner in ihrer Hybris nicht zu erkennen, was die Situation für die USA umso bedrohlicher macht. Wir haben uns mehrfach zu diesem Verhalten der USA und deren Konsequenzen geäussert, unter anderem im Kapital «Die Verwendung des US-Dollars als Waffe führt zu einem Rückgang der Verwendung des US-Dollars als Reservewährung» unseres Beitrags «Wie BRICS seine grösste Herausforderung meistern könnte – der Zahlungsausgleich».
Das Verhalten der USA lässt bis jetzt nicht darauf schliessen, die Gefahr zu erkennen, die von einem BRICS-Zahlungssystem ohne US-Dollar ausgeht. Falls dem so wäre, würde Trump versuchen, die Verwendung des US-Dollars für den Globalen Süden möglichst attraktiv zu machen; dies tut er jedoch nicht.
Sein bisheriges Agieren zielt schlicht und einfach darauf ab, Einnahmen durch Zölle und Erpressung zu generieren. Erpressung daher, weil etwa im Falle der EU neben der Erhebung von 15% Zöllen, Investitionen und Waffenkäufe im Billionenbereich abgepresst wurden (siehe etwa Reuters). Dieses Vorgehen sieht nach einem typisch amerikanischen «Quick-Fix» aus, wohl um den kompletten Kollaps der US-Staatshaushaltes abzuwenden.

Das fehlende intellektuelle Verständnis für die Gefahren, welche von BRICS tatsächlich ausgehen, ist auch der Grund dafür, warum Trump China als grossen Gegner sieht und fürchtet, dass die Chinesen danach trachten, die USA vom Hegemonenthron zu stossen. Das ist für Trump, der einfache Muster bevorzugt, leichter zu verstehen und zu vermitteln als die Konstellation BRICS, welche die Bevölkerung der USA weder kennen noch einordnen können.
Die wirtschaftliche Situation in den USA
Verlässt man sich auf die Aussagen des Vorsitzenden der amerikanischen Notenbank Jerome Powell, die er anlässlich seiner letzten Pressekonferenz vom 29. Oktober von sich gab, so muss man keine Befürchtungen haben – zumindest tönt es so.
"Die Wirtschaft scheint solide und stabil zu sein und hat sich nicht wesentlich verändert."
Transcript of Chair Powell’s Press Conference October 29, 2025
Der Begriff «scheint» zeigt bereits, dass diese Schönfärberei auf Sand gebaut ist.
Alle jene, welche ihre Informationen nicht bei von Banken und anderen Finanzorganisationen gesponserten Quellen wie CNBC und weiteren Massenmedien, die sich als «Experten» ausgeben, beziehen und etwas hinter die Kulissen schauen und ab und an bei ZeroHedge vorbeischauen, ist die pityoable finanzielle Situation der USA, besser des Kollektiven Westens, kein Fremdwort. Wir haben diese Katastrophe und ihre Ursprünge aus geopolitischer Sicht in unserem Beitrag «Der Krieg zweier Welten hat begonnen – Teil 1» beschrieben. Es ist nicht die Aufgabe unseres Blogs, Wirtschaftsdaten zu analysieren, das können andere besser. Dennoch möchten wir heute auf ein Phänomen hinweisen, das bezeichnend ist für unsere Zeit.
KI – die Mutter aller Blasen?
Zwar jubeln jene, welche die amerikanischen Aktienindizes als Gradmesser der Wirtschaft sehen, immer noch, wenn auch heiserer als auch schon, da die Kurs-Bonanza sich auf immer weniger Titel beschränkt und KI der Allerheilsbringer nicht nur ist, sondern sein muss, um den Tanz um das Goldene Kalb am Leben zu erhalten. Die Treiber der Aktien – Leute, die Ihre Karriere an diesen Hype binden, verwerfen Einwände, die darauf abzielen in Frage zu stellen, wie die prognostizierten Rieseninvestitionen, auf welchen die Bewertungen beruhen, überhaupt aufgebracht werden können und wie sich ein Geschäftsmodell erstellen lässt, bei welchem die Benutzer diese riesigen Investitionen amortisieren sollen. Die meisten Benutzer bezahlen ein paar Dollar, um diese künstlichen Hirne zu benutzen – mehr nicht. Weiter fällt auf, dass gigantische Investitionen im Kreis herumgereicht werden – frei nach dem Motto: Du sendest mir 100 Milliarden unter dem Titel X und ich sende das Geld unter dem Titel Y zurück: Gesamtinvestitionen ergeben dann 200 Milliarden, aber investiert wurde gar nichts. Statt vieler: New York Times.

Für jene, welche darüber lachen wollen: Ronny Chieng erforscht die Versprechen der KI
Quelle: YouTube
Im Jahre 2000 gab es Firmen im NASDAQ, die mit Internet nichts am Hut hatten, jedoch ihrem Namen ein «.com» anhängten und dann einen Kurssprung von 500% Prozent machten. Ähnliches passiert jetzt wieder. Bei diesen Bewertungen kann jeder sicher sein, dass jede Pensionskasse der westlichen Welt in dieser Blase investiert ist, denn der grosse Unterschied zur .com-Blase – damals verloren vor allem gutverdienende Ärzte und Anwälte viel Geld, als die Blase platzte. Heute hängt jeder Pensionär mit drin.
Laut der Schweizer Wirtschaftszeitung Finanz & Wirtschaft ist die gegenwärtige KI-Blase (rot) knapp zweimal grösser – besser: schlimmer – als die .com-Blase von 2000.

Wann diese Blase platzen wird, weiss keiner, aber sie wird platzen und dies wird zu derartigen Verwerfungen auf den Finanzmärkten führen, dass die geopolitischen Pläne des Kollektiven Westens in Frage gestellt sein werden.
Wie schlecht ist Trump informiert?
Inwieweit Trump sich über die katastrophale Lage seiner Nation und der Finanzmärkte im Kollektiven Westen bewusst ist, scheint einmal mehr schwer zu beurteilen zu sein. Trump selber – als Immobilienmogul – liebt die Hebelwirkung von Krediten, die ihn einerseits reich gemacht hat und mehrmals dafür sorgte, dass nicht er persönlich, sondern seine Kreditgeber Milliardenabschreiber machen mussten. Trump liebt somit das Schuldenmachen und tiefe Zinsen. Am 3. Dezember 2025 schrieb die New York Times:
"Mr. Trump hat deutlich gemacht, dass er einen Fed-Vorsitzenden wünscht, der deutlich niedrigere Zinsen unterstützt, was die Zentralbank unter der Führung von Mr. Powell abgelehnt hat."
Quelle: New York Times
Er ist sich somit nicht bewusst, dass tiefere Zinsen dem US-Dollar langfristig nicht nur schaden werden, sondern er bald keine Abnehmer für diese Währung findet. Dieser Umstand würde die oben beschriebenen Aversion des Globalen Südens gegen den US-Dollar somit noch verstärken, indem der US-Dollar nicht nur wegen geopolitischen, sondern auch wegen rein wirtschaftlichen Gründen gemieden würde.
Ein enger Freund von mir ist mit einer Person bekannt, welche mit Donald Trump regelmässig im Mar-al-Lago-Dinner-Club diniert. Der mitteilungsbedürftige Präsident spricht anlässlich dieser privaten Anlässe freimütig über viele Themen. So liess er vor ein paar Tagen verlauten, dass die russische Wirtschaft am Boden läge und die Russen katastrophale Verluste hinnähmen. Ich bin vor Ort und kann unseren Lesern bestätigen, dass beide Aussagen schlicht und einfach falsch sind. Hier geht es nicht darum, die russische Wirtschaft oder die Situation an der Front einzuordnen, aber dieses Beispiel zeigt, dass Präsident Trump von seinen Beratern falsch informiert wird. Ob dies vorsätzlich oder aus Unvermögen seiner Administration geschieht, kann ich nicht beurteilen, aber es lässt seine vielen suboptimalen Entscheide im laufenden Jahr erklärbarer erscheinen und man kann vermuten, dass der an einfache Denkmuster glaubende Präsident die wahnsinnige Kursrally von ein paar KI-Aktien als Zeichen einer gesunden und resilienten Wirtschaft sieht.
Wie wird Trump gegen BRICS vorgehen?
Kurzfristige Lösungen der Geldprobleme
Wir haben bis jetzt erarbeitet, dass Trump wirtschaftlich äusserst aggressiv und auch gegenüber Freunden und Verbündeten sehr rücksichtslos vorgeht, um seine Ziele zu erreichen. Sein vordringlichstes kurzfristiges Ziel ist schnell benannt: Geld. Wir haben im Mai den Artikel «Mar-al-Lago wird scheitern – ohne Glaubwürdigkeit geht nichts mehr.» publiziert und darin die Wirtschaftspläne von Trump kritisch analysiert. Dabei wiesen wir nach, dass diese Pläne zum Teil widersprüchlich sind und letztlich an der grössten Schwäche der USA scheitern werden: Die Amerikaner sind komplett unzuverlässige Partner und halten Verträge solange ein, wie sie daraus Vorteile ziehen, um diese danach unter fadenscheinigen Gründen zu brechen. Wir haben uns über diese Schwäche der USA bereits mehrmals geäussert, so etwa auch im Juni in «Diplomatie auf dem Totenbett» wo wir unter anderem Professor Mearsheimer folgendermassen zitierten:
"Jedes Land auf der Welt, das den Vereinigten Staaten vertraut, ist bemerkenswert töricht."
Professor Mearsheimer
Mittel- und Langfristige Lösungen – BRICS schwächen
Zur Erreichung der mittel- und langfristigen Ziele wenden die USA andere Mittel an. Wie wir bereits in unserer Serie «Der Krieg zweier Welten hat bereits begonnen» dargestellt haben, vermeiden die Amerikaner eine direkte militärische Konfrontation mit China und auch Russland. Bezüglich Russland vertreten wir zwar die Meinung, dass die Konfrontation in der Ukraine eine direkte ist – siehe unsere Ausführungen im zweiten Teil dieser Serie «Hat der 3. Weltkrieg bereits begonnen?», die Amerikaner sind jedoch anderer Meinung und die Russen lassen die Amerikaner aus diplomatischen Gründen in diesem Glauben.
Die USA können ihren Status als Hegemon lediglich aufrechterhalten, falls sie BRICS als Organisation zerschlagen oder so weit schwächen, dass sie zu dem wird, als was sie vom Westen beschrieben wird, als gescheiterter oder peinlicher Versuch von ein paar Entwicklungsländern, sich aus der Unerheblichkeit zu erheben. Dabei gehen sie gegen BRICS-Mitglieder, -Partner und -Kandidaten vor, indem Sie alle vorstellbaren Mittel anwenden. Sie umgarnen sie, um zu erreichen, dass sie die Seite wechseln (z.B. Saudi-Arabien), sie schwächen oder zerstören sie (z.B. Venezuela).
Wir skizzieren im Folgenden die Druckpunkte aufgeteilt in geographische Einzugsgebiete, auf welche der Kollektive Westen auf welcher der Westen massiv Einfluss nimmt oder dies beabsichtigt.
Einzugsgebiet: Westflanke Russland
Ukraine
Zurzeit arbeitet sich der kollektive Westen im westlichen Einzugsgebiet an Russland in der Ukraine ab. Zu den Ursprüngen verweise ich auf meinen Vortrag vom 22. März 2024.
Der Westen agiert militärisch seit bald vier Jahren absolut erfolglos. Die Verluste der Ukrainer sind horrend und es sieht danach aus, dass es die Russen sind, welche bestimmen werden, wo ihre zukünftige Landesgrenzen zu liegen kommen. Es ist sehr gut möglich, dass Russland durch die Einnahme von Odessa die Ukraine zum Binnenland verkommen lässt; dies unter anderem wegen der anhaltenden – wohl von London aus koordinierten – Angriffe auf russische Schiffe im Schwarzen Meer. Die Argumentation von Professor Mearsheimer zu diesem Thema ist bestechend (KI-generiert).
Auch ist es offensichtlich, dass es die Europäer sind, welche die Friedensbemühungen der USA torpedieren; die Gründe dafür sind mehrschichtig:
Erstens spielen sich die Führer der EU und die Führer der Koalition der Willigen als Kriegsminister auf, welche Europa vor den bösen Russen schützen.

In jenem Moment, wo Frieden «ausbricht», verlieren diese Köpfe ihre Existenzberechtigung, da innert kürzester Frist herauskommen wird, dass das Kriegsgeschrei nicht zum Schutz der betroffenen Länder bzw. der EU veranstaltet wurde, sondern zum Joberhalt dieser Kaste.
Weiters sieht es danach aus, dass sich nicht nur die Damen und Herren in Kiew aus den Geldflüssen aus Washington, der EU und europäischer Länder bedienten. Die offizielle Zahl, welche bezüglich der Korruption genannt wurde, um die 100 Millionen Euro, sind ein Tropfen auf dem heissen Stein, wenn man die Angelegenheit realistisch betrachtet. Man kann davon ausgehen, dass zwischen 40%-60% aller Gelder verschwunden sind. Wir sprechen somit von einer Zahl von bis zu 100 Milliarden, welche gestohlen wurden. Warum viele Hilfsgelder etwa durch Estland fliessen mussten, wirft Fragen auf. Hielt möglicherweise Frau Kaja Kallas, das verwöhnte Mädchen, ebenfalls die Hand auf? Sie hat ja mit schmierigen Skandalen Erfahrung.

Wir werden über diese unappetitlichen Geschichten, die bis jetzt nicht bewiesen wurden, bald berichten. Falls die Macht von Selenski auf andere übergeht, steigen die Chancen exponentiell an, dass die Damen und Herren in Europa der Korruption überführt werden können. Ein weiterer Grund zur Fortsetzung des Krieges für die Europäer.
Rumänien/Moldau/Transnistrien
Wir haben mehrmals darauf hingewiesen, dass Transnistrien sehr wohl in diesen Konflikt hineingezogen werde könnte, was sowohl Moldawien als auch Rumänien direkt involvieren würde. Weiter dazu unser Beitrag «Moldawien – EU-Praxisgebiet für politische Repressalien gegen nichtwestkonforme Kräfte».
Nicht militärisch, sondern durch NGOs und plumpe Wahlfälschungen erreichte der Kollektive Westen in Rumänien und Moldau seine Ziele. In unserem Artikel «Rückblick auf die Parlamentswahlen in Moldau» gingen wir darauf ein.
Auch in Moldau und Transnistrien geht es um eine vom Westen provozierte Konfrontation mit russischen bzw. russischsprachigen Bürgern und ihrer Kultur, um Voraussetzungen für eine offene Konfrontation Russland zu schaffen.
Baltikum
Das Baltikum stellt auf eine besondere Art einen Schwerpunkt dar. Indem man grosse Teile der eigenen Bevölkerung – Russen – dämonisiert und ihrer nach EU-Recht legitimen Rechte beraubt, versucht man Russland zu schwächen. Diese Bürger, die keine sind, heissen tatsächlich «Nichtbürger», haben keine EU-Pässe und ihr aktives und passives Wahlrecht ist eingeschränkt. Sie dürfen ausserdem ihre eigene Sprache nur sehr eingeschränkt nutzen; es gibt sogar eine Sprachpolizei und russischsprachige Bürger mussten Sprachprüfungen ablegen, deren Nichtbestehen, etwa zur Ausweisung aus dem Land für im Land lebenden Rentner führen kann. Im Ergebnis wurden über 800 mit einer gültigen Aufenthaltsgenehmigung in Lettland lebende Rentner aus diesen Gründen des Landes verwiеsen, wie das Nachrichtenportal News.ru glaubwürdig berichtet.
In die gleiche Richtung geht auch die Information, dass Estland beabsichtigt, die Geldstrafen für den falschen Gebrauch von Sprache – gemeint ist für den Gebrauch der russischen Sprache – auf 1.280 Euro für natürliche Personen und 10.000 Euro für juristische Personen anzuheben plant. Auch das Synchronisieren von Filmen ins Russische soll nun in Estland verboten werden.
Estland ist das Mutterland der obersten Diplomatin der EU, Kaja Kallas. Diplomatie beinhaltet unter normalen Umständen auch den Erhalt und den Ausbau kultureller Beziehungen, der Verhinderung von Diskriminierung. Dazu heisst es in der EU-Charta in Artikel 21:
« (1) Diskriminierungen, insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung, sind verboten.»
EU-Charta in Artikel 21
Haben Sie in den letzten 30 Jahren irgendeine Kritik am Verhalten der baltischen Staaten gegenüber ihren russischsprachigen Mitbürgern gehört? So lange dauert dieser Rechtsbruch bereits. Die baltischen Staaten befinden sich diesbezüglich auf demselben Niveau wie das Regime in Kiew.
Ungarn/Slowakei
Ungarn und die Slowakei bemühen sich als einzige EU-Länder um ein nichtaggressives Verhältnis zu Russland. Geschuldet ist dies unter anderem den nach wie vor engen wirtschaftlichen Verbindungen zu Russland. Der kollektive Westen mischt sich über NGOs und direkten Druck aus der EU massiv in die inneren Angelegenheiten Ungarns und der Slowakei ein. Auf diesem Wege versucht man sich der Ministerpräsidenten Orban und Fico zu entledigen, gegebenenfalls auch physisch. Bei Fico hat es beinahe funktioniert, als auf ihn am 15. Mai 2024 in Banska Bystrica ein Mordanschlag verübt wurde.
Serbien
Als nicht EU-Land, das komplett von NATO-Ländern umgeben ist, ein Binnenland, exponiert sich die traditionell russlandfreundliche Enklave in einem bedeutenden Masse zugunsten Russlands. Der Druck steigt. Einerseits möchte das Land Teil der EU werden, andererseits gibt es dagegen erheblichen Widerstand in Serbien. Weiter wurde die einzige Raffinerie Serbiens, welche Lukoil mehrheitlich gehört, Opfer neuer amerikanischer Sanktionen. Serbien fand bislang keine Lösung, will heissen keinen Käufer für den Lukoil-Anteil. Daraufhin gab es nun Russland eineinhalb Monate Zeit, den Lukoil-Anteil zu veräussern, um die US-Sanktionen aufzuheben zu lassen.
Auf jeden Fall wird dieses Problem zu höheren Energiepreisen führen, was zu Unruhen führen könnte. Ob der Westen erfolgreich sein wird, Serbien zum Russlandfeind zu machen, ist ungewiss und hängt wohl davon ab, ob Vucic einen Weg findet, seine Politik zu verteidigen und fest im Sattel sitzen zu bleiben.
Einzugsgebiet – Kaukasus
Aserbaidschan/Armenien
Die beiden Kaukasus-Staaten streben seit einigen Jahren nach Westen. Die Gründe bei Aserbaidschan liegen im engen Schulterschluss mit der Türkei, die wiederum sehr eng mit Grossbritannien im Kaukasus arbeitet. Ausdruck dessen ist die Ausrüstung Aserbaidschan mit Waffen aus dem Westen im Konflikt gegen Armenien. Weiterhin ist das Land der Hauptenergielieferant von Israel, via Türkei. Die Energiequellen (Gas und Öl) selbst sind mehrheitlich unter britischer Kontrolle (BP). Was auch für sonstige mineralische Rohstoffe (Gold, Kupfer etc.) gilt. Aserbaidschan ist ebenfalls ein riesiger Obst- und Gemüseproduzent. Nach wie vor ist Russland der Hauptabnehmer dieser Produkte. Der Obst- und Gemüsehandel in Russland wird von Aserbaidschanern dominiert. Da Russland etwa 50 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion des Landes abnimmt, muss die politische Führung diese Konstellation berücksichtigen, zumal weit über 30 Prozent der Beschäftigten in diesem Bereich arbeiten. Ein weiterer einzukalkulierender Fakt sind die vielen aserbaidschanischen Migranten in Russland. Für Russland füllen sie eine Lücke im Arbeitsmarkt, für Aserbaidschan die Staatskasse durch ihre erheblichen Überweisungen. Diese Beispiele zeigen die Komplexität der gegenseitigen Abhängigkeiten.
Mit der nichtlegitimen Machtübernahme durch den jetzigen Ministerpräsidenten Paschinjan beschleunigte sich die Abwendung Armeniens von Russland. Wie im Falle Aserbaidschans entspricht diese Tendenz nicht der Meinung der Bevölkerungsmehrheit, sondern den Interessen einer kleinen Schicht innerhalb der politischen Klasse. Der bislang letzte diesbezügliche Schritt ist die vor wenigen Tagen von Jerewan geäusserte Ankündigung, die von Russland geführte Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) zu verlassen, das neben Russland und Armenien Weissrussland, Kasachstan, Kirgistan und Tadschikistan umfasst. Dieser Schritt ist die logische Konsequenz auch aus der Unterzeichnung eines Abkommens mit den USA zur Regulierung der Situation an der armenisch-aserbaidschanisch-iranischen Grenze nach dem Verlust von Berg-Karabach nach dem um diese Region geführten Krieg mit Aserbaidschan.

Der Grenzstreifen zwischen der aserbaidschanischen Enklave Nachitschiwan und dem aserbaidschanischen Mutterland an der iranischen Grenze wird künftig von einer amerikanischen privaten Militärfirma kontrolliert. Armenien selbst hat davon praktisch nichts. Aserbaidschan bekommt einen amerikanisch kontrollierten Landzugang zu seiner Enklave und damit zur Türkei und zur NATO.
Die USA erhalten für 100 Jahre ca. 75 Prozent aller Einnahmen aus dem Verkehrsaufkommen und die Kontrolle einer Schlüsselregion an der iranischen Nordgrenze. Was sich im israelisch-iranischen Krieg im Juni 2025 im Verborgenen konstituierte – die Mittäterschaft Aserbaidschans und der Türkei beim Angriff auf den Iran – bekommt hiermit seinen legalisierten Anstrich.
Kasachstan
Kasachstan ist für Russland als auch Russland für Kasachstan ein äusserst wichtiger strategischer Partner.

Die Landgrenze ist enorm (7'644 km) und die Bevölkerungsdichte auf beiden Seiten gering. Daher ist es für beide Länder essentiell, gute Beziehungen zu haben, da eine Bewachung einer solchen Grenze unmöglich ist. Beide Staaten gehören zu den Rohstoffriesen dieser Welt. Die Kasachische Firma Kazatomprom etwa produziert 40% der Uranweltproduktion. Daneben produziert Kasachstan Erdgas, Erdöl, Kohle, Eisenerze etc. die Liste ist beinahe so lang wie bei Russland.
Politisch gesehen vollführt Kasachstan einen Balanceakt. Einerseits ist das Land strategisch wichtig als OVKS-Mitglied, auf der anderen Seite spielt es als Mitglied der Organisation der Turkstaaten und turksprachiges Land auch in den strategischen Überlegungen der Türkei eine erhebliche Rolle. Zu dieser Organisation gehören neben Kasachstan und der Türkei die postsowjetischen Staaten Kirgisien, Usbekistan und Aserbaidschan. Ungarn und Turkmenistan besitzen einen Beobachterstatus. Und amerikanische Experten empfehlen, dass erst durch den Beitritt von Tadschikistan und Armenien die Organisation ihre volle Kontur und Stärke erreichen würde.
Erst vor wenigen Tagen unterschrieb der kasachische Staatschef Kassym Tokajew in Washington dem Charakter nach eine Absichtserklärung über die Vertiefung der Zusammenarbeit mit den USA vor allem im Rohstoffbereich, um auf der Rückreise in Moskau Station zu machen für die Unterzeichnung eines Abkommens über eine strategische Partnerschaft mit Russland.
Die Überlappung der strategischen Interessen des Westens einerseits, Russlands und Chinas auf der anderen Seite sowie von Partikularinteressen der Türkei sowie einer Reihe anderer Staaten ist offensichtlich.
Kasachstan ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Amerikaner – etwa durch Firmen wie Halliburton – (vorerst) friedlichen Einfluss nehmen wollen. Falls dies nicht gelingen wird, was wir aufgrund der Russlandfreundlichkeit der Bevölkerung – die Kasachen sprechen Russisch ohne jeden Akzent, da Russisch auch Amtssprache ist – annehmen, so werden die Amerikaner wohl aggressivere Mittel anwenden. Der Grund dafür ist einfach: Ein Kasachstan, das unter amerikanischer Kontrolle wäre ein Traum für die USA und höllisch für die Russen.
Im vierten Teil geht unsere Reise weiter.
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