Wie widerstandsfähig ist BRICS im Sturm der Geopolitik? – Teil 4

Wie widerstandsfähig ist BRICS im Sturm der Geopolitik? – Teil 4

BRICS ist ein gigantischer Machtfaktor, deren Mitglieder, Partner und Kandidaten zurzeit einer schweren Prüfung unterzogen werden. Im heutigen letzten Teil sehen wir in die Zukunft und ziehen unsere Schlüsse.
Mo. 15 Dez 2025 2

Einleitung

In ersten Teil dieser Serie befassten wir uns mit den Fakten zu BRICS und den grossen wirtschaftlichen Tendenzen, die man gegenwärtig beobachten kann.

Im zweiten Teil ging es um das Umfeld, in welchem sich BRICS als die wichtigste Organisation des Globalen Südens entwickeln muss. Wir beurteilten die kriegerischen Umstände im Allgemeinen, die grosse Gefahr, welche von einem Nuklearkrieg ausgehen würde und die Unvorhersehbarkeit der geopolitischen Lage, welche uns dazu veranlasst, die gegenwärtige Situation als «Sturm» zu benennen.

Der dritte Teil betrachtete die aggressive Haltung der USA gegenüber ihren Freunden und wies auf die wirtschaftliche Situation der USA hin, auf offensichtliche, bewusst provozierte Fehlentwicklungen (KI) und wir begannen die Einflussnahme der USA in den einzelnen Einzugsgebieten zu beschreiben. 

Im heutigen vierten Teil werden wir diese Beschreibung der Einflussnahme abschliessen und noch kurz auf die «neue» Nationale Sicherheitsstrategie (National Security Strategy) des Weissen Hauses eingehen, die gar nicht neu ist.

Einzugsgebiet China

Die Herausforderungen im unmittelbaren Umfeld Chinas stellen sich geographisch anders dar als im Falle Russlands. China ist von den US-Bedrohungen durch Wasser getrennt – es bestehen keine Landbrücken zwischen US-Verbündeten und China. Nichtsdestoweniger sind die Drohgebärden gegenüber China durch Militärbasen in Japan, Südkorea, den Philippinen und nicht zuletzt Guam beträchtlich.

Trotz dieses gigantischen Aufwandes, die Militärbasen aufrechtzuerhalten, wären die USA nicht in der Lage, gegen China einen Krieg entsprechend ihrer Militärdoktrin zu führen – dafür sind die Distanzen zum Mutterland viel zu beträchtlich, wodurch eine nachhaltige Logistik nicht zu gewährleisten ist.

Die US-Militärdoktrin sieht vor, den Gegner aus der Luft weitgehend zu vernichten und sich erst dann auf kleinteilige Gefechte auf dem Land einzulassen, wenn überhaupt. In Erwartung etwaiger militärischer Auseinandersetzungen mit dem Westen im weitesten Sinne sah sich China gezwungen, eine Respekt einflößende Militärmacht aufzubauen. So ist China militärisch gesehen heute eine ausgewachsene Landmacht, es verfügt zahlenmässig über die zweitgrößten Seestreitkräfte ebenso wie über ein überlegenes Arsenal an Raketen aller Art und modernster Bauart und nicht zu vergessen über eine respektable, wachsende Atombewaffnung.

Aus amerikanischer Sicht keine günstigen Voraussetzungen für eine eventuelle militärische Auseinandersetzung mit dem Reich der Mitte.

Hinzu kommt, dass jene Länder, welche die grossen Militärbasen der USA beherbergen (Japan, Südkorea und die Philippinen) nicht das geringste Interesse daran haben, von den USA in einen Konflikt mit den Chinesen hineingezogen zu werden, denn die wirtschaftlichen Verflechtungen mit China sind für diese drei Länder von existenzieller Wichtigkeit.

Wie die folgende Graphik klar zeigt, läuft nicht nur in Asien ohne China wirtschaftlich so gut wie nichts. Die ökonomische Übermacht Chinas erreichte inzwischen globale Ausmaße und zeitigt eine disziplinierende Wirkung.

Der wirtschaftliche Erfolg steht nicht nur auf dem Papier, er ist für jeden China-Besucher sicht- und fühlbar. Darüber hinaus sind Länder wie Malaysia oder Singapur kulturell stark chinesisch geprägt. Auch in anderen asiatischen Staaten gibt es signifikante chinesische Minderheiten.

Das deutlich größere Interesse in den asiatischen Ländern insgesamt an einem friedlichen, ausbaufähigen, gegenseitig vorteilhaften Verhältnis zu China als an militärischen Abenteuern entspricht somit neben allem anderen dem gesunden Menschenverstand.

Dennoch versuchen die USA mit allen Mitteln Druck auf China, sein Umfeld und somit auf BRICS auszuüben. Allerdings stehen die Mentalitäten der asiatischen Staaten den Bestrebungen der USA stark im Weg.

Während es den USA im Laufe der Zeit in Europa gelang, eine den eigenen Interessen hörige Elite an die Macht zu bringen, ticken die Uhren in Asien anders. Es gibt im chinesischen Nahbereich nur noch zwei Staaten, die mit den USA militärische Allianzen eingingen – Japan und Südkorea und der chinesischen Provinz Taiwan. Mit den beiden erstgenannten ganz offiziell. Taiwan hingegen versuchen die USA zu einem beliebig nutzbaren Rammbock gegen China hochzurüsten.

Wie so oft brechen die USA auch in diesem Fall international eingegangene Verpflichtungen zur Erlangung einseitiger, eigener Vorteile. Nach wie vor sind die USA der Ein-China-Politik völkerrechtlich verpflichtet. Diese besagt, dass Taiwan integraler Bestandteil Chinas ist. Dem entspricht auch der Fakt, dass es nur einen Sitz für China und Taiwan in der UNO gibt. Und der ging Anfang der 1970-er Jahre eben auf Grund der Anerkennung der Ein-China-Politik durch die USA von Taiwan an China über. Folgerichtig haben die USA in Taiwan auch keine US-Botschaft.

Es fällt den USA in Asien zunehmend schwerer, Staaten gegen China in Stellung zu bringen. Denn wie im Falle Russlands sind die USA auch hier bestrebt, andere ins Rennen zu schicken und sich selbst in vornehmer Zurückhaltung als Waffenlieferant, Einpeitscher und gegebenenfalls späterer «Friedensstifter» zu positionieren.

Die wachsende Anerkennung Chinas als der eigentliche wirtschaftliche Gigant und die enorme ökonomische Bedeutung Südostasiens als Ganzes widerspiegelt sich in der asiatischen Mitglieder- und Kandidatenliste der BRICS.

Unter den Mitgliedern sehen wir vier Staaten Asiens, unter Einschluss der westasiatischen VAE fünf. Wirtschaftlich stellen sie den Kern der Macht der BRICS dar. Auch unter den Kandidaten finden sich weitere fünf ökonomisch teils sehr potente Staaten. 

Auf einige wenige wollen wir hier entsprechend unserer Reiseroute rund um Eurasien kurz eingehen.

Indonesien/Malaysia

Das BRICS-Mitglied Indonesien gehört zu den größten Volkswirtschaften Südostasiens und nimmt im Weltmaßstab den 16. Platz ein. Der wichtigste Wirtschaftspartner ist mit Abstand China.

Die geografische Lage des Landes an der Südseite der wichtigsten Meerenge der Welt, der Straße von Malakka, begründet auch eine strategische Bedeutung. Im Übrigen liegt an der Nordseite mit Malaysia ein Kandidat auf die Mitgliedschaft in BRICS.

Die Straße von Malakka

Südostasien ist ein gutes Beispiel für die Veränderungen in der Welt über die Jahrzehnte. Malaysia wurde erst 1963 unabhängig. Es entstand aus Teilen des britischen Kolonialreiches. Indonesien, der flächenmäßig größte Inselstaat der Erde, wiederum gehörte bis 1949 zum niederländischen Kolonialreich. Beide Staaten stellen heute schnell wachsende Ökonomien dar und sind auf ihre Art Beispiele für die Diversifizierung der Welt hin zu einer multipolaren Struktur, die eher geeignet erscheint, die Probleme der Welt ausgewogener zu lösen.

Zusammen mit Malaysia, das neulich Partner von BRICS wurde und wohl bald zum Mitglied aufsteigt, kontrolliert Indonesien die Strasse von Malakka. Diese Meerenge verbindet den Indischen Ozean mit dem Pazifik. 30% aller globalen Handelswaren passieren diese Wasserstrasse. Damit kontrolliert BRICS indirekt die grösste Handesstrasse der Welt. Ich weiss nicht, wie lange wir darauf warten müssen, bis die USA in diesen Ländern Unruhen stiften werden, um diese zu destabilisieren. Als erstes werden wohl NGOs aktiviert werden.

Indien

Ohne Indien wäre BRICS nicht BRICS. Viele Menschen unterschätzen dieses ehemalige Juwel in der Krone des Britischen Empires.

Indien ist mit all seinen Problemen auf seine Art ein Land der Superlative. Gelegen auf einem Subkontinent verfügt es inzwischen mit ca. 1,5 Milliarden Menschen über die größte Bevölkerung, noch vor China. Stolz nennt sich Indien selbst die größte Demokratie der Welt. Es dürfte auch das Land mit der größten ethnischen Vielfalt sein, was die Schaffung funktionierender demokratischer Strukturen um so eindrucksvoller erscheinen lässt angesichts der z.B. in Europa sich abzeichnenden und beobachtbaren Entwicklungen.

Politisch geht es seinen eigenen Weg, was sich in den letzten Monaten unter anderem darin zeigte, dass es den USA trotz aller Lockungen nicht gelang, die Bindung Indiens an die BRICS-Gruppe zu unterminieren. Der kürzliche Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin in Delhi wurde von Indien in einer Art zelebriert, die deutlich über die Erfüllung protokollarischer Verpflichtungen hinausging. Ein deutliches Zeichen für die Welt, das ein Indien als enger Freund Russlands und damit auch als verlässlicher Partner von BRICS zeigt.

China und Russland sind eng miteinander verflochten, da sie auch Nachbarn mit einer gemeinsamen Grenze sind, die zu lang ist, um bewacht zu werden. Trotz riesigen Mentalitätsunterschieden streben beide Parteien nach einer immer engeren Zusammenarbeit dieser beiden Völker. Mit Indien hat Russland ebenfalls hervorragende Beziehungen, wie der herzliche Umgang Putin und Modis anlässlich Putins Besuch zeigte. Die Russen rechnen es den Indern hoch an, dass sie dem Druck aus Washington und Brüssel mit einem Lächeln Paroli geboten haben. Von den USA und der EU verhängte Sekundärsanktionen gegen die indische Ölindustrie werden zwar offiziell teilweise beachtet, jedoch geschickt und effizient mit Schattenstrukturen umgangen, sodass sie in ihrer Wirkung ins Leere laufen. Loyalität wird gelebt und hat in Russland einen ungleich höheren Stellenwert als im verkommenen Westen.

Zwischen Indien und China bestehen immer noch erhebliche Differenzen, welche von den USA am Leben gehalten werden – und dies mit gutem Grund, denn aufgrund der dummen Aussenpolitik des Kollektiven Westens verlor der Westen bereits Russland, das sich durchaus an Westeuropa annähern wollte, an China. Falls Russland zwischen China und Indien gescheit vermittelt und die beiden Riesen dies zulassen und mittelfristig eng zusammenarbeiten, würde ein Machtzentrum in Asien entstehen, dem der Westen nichts entgegensetzen könnte. Die Amerikaner werden alles versuchen, dies zu verhindern. Hier stellt sich die Frage, was die USA Indien überhaupt noch anbieten können, das wertvoller ist als die gigantische Produktionsmaschinerie der Chinesen und die Rohstoffe und Loyalität der Russen. Mittelfristig wird Indien im geopolitischen Spiel eine immer wichtigere Rolle einnehmen.

Iran

Die große Unbekannte unter den bekannten großen BRICS-Staaten ist für den westlichen Leser sicherlich der Iran.

Die demokratische Entwicklung des Landes hatte mit der Wahl von Mohammad Mossadegh im Jahre 1951 begonnen und wurde im Jahre 1953 von den USA und Großbritannien mit aller Gewalt beendet. Dem Land wurden sein Reichtum an Öl und Gas sowie seine geostrategische Lage zum Verhängnis. 

Im Jahre 1979 entledigte sich das Land des Schahs und somit der britischen und vor allem amerikanischen Herrschaft. Die islamische Revolution mag für europäische Augen fremd wirken, doch kann sie nur aus der Geschichte des Landes heraus verstanden werden. Das gilt ebenso für die dann folgenden und bis heute anhaltenden Versuche (z.B. der von den USA orchestrierte Iran-Irak-Krieg in den 80-er Jahren) durch den Westen insgesamt aber allen anderen voran durch die USA und Großbritannien, das Land ökonomisch, militärisch und damit politisch zu erdrosseln, um der Bodenschätze habhaft zu werden.

Die gegen ihn verhängten extremen Sanktionen zwangen den Iran, eine Industrie mit einer enormen Fertigungstiefe aufzubauen, sehr teuer aber ohne Alternative. Es war die einzige Möglichkeit, das Land mit lebenswichtigen Erzeugnissen zu versorgen, unabhängig vom westlichen Wohlwollen.

Die Schaffung der BRICS, die Folgen des Ukraine-Krieges und die mit beiden Ereignissen einsetzenden und verbundenen weltpolitischen Änderungsprozesse wurden für den Iran zu einem Weg heraus aus der Isolation. Der Westen sanktionierte die Abnehmer iranischer Waren massiv, um dann feststellen zu müssen, damit die Bindungen innerhalb von BRICS nur zu stärken und somit die Position des Iran in der Staatengruppe.

Der Angriff von Israel und den USA auf den Iran im Juni 2025, über den wir in «Erkenntnisse zu einem illegalen Krieg, den der Westen begeistert führt und verliert» berichteten, führte zu einem ähnlichen Resultat. War der Iran bis dahin noch darauf bedacht, militärisch weitgehend unabhängig zu agieren, so führte der jedes Völkerrecht brechende Krieg zu einer ganz neuen militärischen Zusammenarbeit des Irans mit China und Russland.

Heute spricht der Iran ganz offen von einer strategischen Partnerschaft mit Russland auf einem bislang nicht gekannten Niveau. Wegen der beachtlichen militärischen Stärke, die unter anderem auf einer Raketentechnik beruht, die weit über dem Niveau der USA und Israel liegt, sahen Israel und die USA seit diesem Sommer davon ab, weiter Angriffe gegen den Iran zu führen. Ein weiterer Grund dafür liegt wohl auch darin, dass niemand weiss, welche Waffensysteme Russland und China dem Iran seit dem Sommer geliefert haben, was einen Angriff zu einem unkalkulierbaren Risiko machen.

Venezuela

Was noch vor wenigen Jahren schwer vorstellbar war, ist heute Realität: Im Hinterhof der USA finden sich Staaten, die nicht nur hinter verschlossenen Türen dem Hegemon widersprechen, sondern für die ganze Welt sichtbar einen eigenen, unabhängigen Weg suchen. Neben dem BRICS-Gründungsmitglied Brasilien ist hier vor allem Venezuela zu nennen, das sich als Kandidatenstaat für BRICS positioniert.

Dieses Land mit den reichsten nachgewiesen Ölreserven der Welt steht schon lange auf dem Speisezettel der USA. Mit den aktuellen Drohungen mit einem wie auch immer gearteten Militärschlag gegen das Land, verbunden mit der Versenkung von zivilen Booten des Landes, der demonstrativen Ermordung ihrer Besatzungen und der Kaperung von Öltankern vor der Küste von Venezuela knüpft die Administration Trump-2 nur an die Politik von Trump-1 an. Und auch diese stellte nur die Fortsetzung einer überaus feindseligen US-Politik seit der Wahl von Hugo Chaves zum Präsidenten im Jahre 1998. Demokratisch gewählt wagte die Regierung Chaves dasselbe, wie Mohammad Mossadegh im Iran der Jahre 1951 bis 1953: die gesetzeskonforme Nationalisierung der Ölreichtümer des Landes. Im Jahre 2002 versuchten die USA das erste Mal, das Rad zurückzudrehen, so wie anno 1953 im Iran durch einen proamerikanischen Putsch. Er misslang, was die USA zu Sanktionen greifen ließ.

Auf Hugo Chaves folgte später Nikolas Maduro. Die Politik änderte sich nicht, trotz aller Sanktionen. Die Wirtschaft stand immer wieder vor dem Zusammenbruch, dennoch blieb das Land bei seiner Politik. Im Jahre 2019 dann während Trump-1 kam es zu einem international ausgetragenen Showdown zwischen Venezuela und dem Westen als Ganzes ausgehend von den Präsidentschaftswahlen. Der Westen setzte auf Juan Gaido, die venezolanischen Behörden erklärten jedoch Nicolas Maduro zum Sieger. Der Westen blockierte die Goldreserven des Landes in London – Ähnlichkeiten im Verhalten der EU und Großbritanniens hinsichtlich der russischen Gold- und Devisenreserven in Westeuropa sind nicht rein zufällig - und machte sie Guaido zugänglich. Maduro blieb. Es folgte eine diplomatische Blockade des Westens gegen das Land. Ohne Erfolg.

Der vorletzte Akt bislang war die Organisation der Verleihung des „Friedensnobelpreises“ an die venezolanische Schriftstellerin Maria Corina Machado, die - frisch gekürt - erklärte, dass sie als Präsidentin als erste Amtshandlung die Botschaft des Landes in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen würde. Israel feierte sie dafür. Netanjahu sprach sie wiederholt ihre Unterstützung seiner Gaza-Politik aus, sprich: Genozid. Später erklärte sie ihre Unterstützung auch für US-Präsident Trump bei einer eventuellen Bombardierung des eigenen Landes mit dem Ziel des Sturzes von Präsidenten Maduro. 

Die Tatsache, dass China und Russland Venezuela in seinem Bestreben nach einer eigenständigen, unabhängigen Politik unterstützen, macht die Situation für die USA um so schwieriger. China investierte in das Land bereits 62 Milliarden Dollar – vornehmlich in den Ölsektor - mehr als in jedes andere Land der Region. Russland seinerseits unterstützt Caracas im militärischen Bereich.

Die Welt wartet nun darauf, wie US-Präsident Trump sich entscheidet. Eine offene Militärintervention in dem geografisch schwer beherrschbaren und großen Venezuela zur Ablenkung von den Problemen anderswo sowie für den gewaltsamen Zugriff auf die Ressourcen dürfte für die USA ähnlich enden wie in Vietnam, Afghanistan oder Irak. Ein Rückzieher nach dem nun schon seit Wochen anhaltenden Getrommel käme insbesondere bei den Sponsoren von Trump auch nicht gut an. Wie anderswo haben sich die USA unnötig in eine schwer beherrschbare politische Situation manövriert. Der amerikanische Journalist Max Blumenthal sprach in diesem Zusammenhang in einem sehr empfehlenswerten Interview von einem „Vorhersehbaren Disaster“. 

Damit beenden wir unsere Kurzreise rund um die Kernländer der BRICS, in ihrem Wesen eine Kurzreise rund um «Heartland».

BRICS ist das „Herzland“ des Mackinder

Wie bekannt beschrieb vor über 100 Jahren der britische Geologe und Politiker Halford Mackinder das „Herzland“ als die Region der Erde, deren Kontrolle die Beherrschung der Entwicklungen der Welt insgesamt ermöglicht. Als „Herzland“ postulierte er dabei die Kernregion des eurasischen Landmassivs. Die Machtpolitik des Britischen Empires und später des Westens als Block orientierte sich an den strategischen Vorstellungen dieses Politikers. Wir verweisen auf unseren Beitrag «Angelsächsische geopolitische Strategie - unverändert seit 120 Jahren»

Grafisch stellt sich diese Theorie so dar:

Quelle: Indastra

Der Blick auf die geografische Ausdehnung von BRICS in der nach Mackinder machtpolitisch entscheidenden Region der Erde ergibt folgendes Bild:

Quelle: Wikipedia

De facto haben sich alle Länder der Herzland-Region für ein Zusammengehen im Rahmen von BRICS entschieden. Daran ändern auch die beiden großen weißen Flecken auf der Karte nichts. Der eine Fleck zeigt Kasachstan, einen BRICS-Kandidaten-Staat und engen Verbündeten sowohl von Russland als auch China; der andere große Fleck zwischen Russland und China ist die Mongolei. Die Mongolei ist eines der wenigen Länder weltweit, das seine Politik streng an den Prinzipien der Neutralität ausrichtet, in Übereinstimmung mit seinen eigenen Ansichten, souveränen Rechten und nationalen Interessen. Prinzipien, mit denen die beiden BRICS-Riesen Russland und China nicht nur leben können. Diese Prinzipien sind Teil der im Rahmen von BRICS gelebten Politik.

In der Anwendung der Heartland-Theorie des Halford Mackinder auf die Moderne könnte man vereinfacht ausgedrückt sagen, die Welt gehört der Multipolarität, dem politischen Leitprinzip der BRICS.

National Security Strategy – alter Wein in neuen Schläuchen

Seit dem Erscheinen des Teil 3 unserer BRICS-Serie veröffentlichte das Weisse Haus ein neues Dokument: die „National Security Strategy“ (NSS), also die Nationale Sicherheitsstrategie. Wir werden auf sie hier nicht im Detail eingehen und verweisen einerseits auf den Beitrag von Scott Ritter «Die USA erklären Europa den Krieg» und andererseits auf den kommenden Artikel von Andras Mylaeus «NSS 2025 – Verbalkosmetik statt Paradigmenwechsel», der in den nächsten Tagen erscheinen wird.

Jede Militärstrategie der USA hat per se einen unmittelbaren Einfluss auf die anderen entscheidenden Akteure der Weltpolitik.

BRICS muss - ohne wörtlich genannt zu sein - nach den ökonomischen Kennzahlen und der politischen Ausrichtung des Staatenverbundes somit notwendigerweise die Hauptadressatin jeglicher US-amerikanischer Militär-, Wirtschafts- und Politstrategie sein. Wenn die Amerikaner China oder Russland erwähnen, so betreffen die Strategien zur Schwächung dieser Länder BRICS direkt und nicht mittelbar.

Bereits mit den ersten beiden Sätzen in der Einleitung zur neuen Nationalen Sicherheitsstrategie lassen die USA die Welt wissen, dass sich am Kern ihres Denkens nichts geändert hat:

„To ensure that America remains the world’s strongest, richest, most powerful, and most successful country for decades to come, our country needs a coherent, focused strategy for how we interact with the world. And to get that right, all Americans need to know what, exactly, it is we are trying to do and why. “

In deutscher Übersetzung:

“Um sicherzustellen, dass Amerika auch in den kommenden Jahrzehnten das stärkste, reichste, mächtigste und erfolgreichste Land der Welt bleibt, braucht unser Land eine kohärente, fokussierte Strategie für unseren Umgang mit der Welt. Und damit dies gelingt, müssen alle Amerikaner genau wissen, was wir erreichen wollen und warum.“

Das Ziel der USA ist und bleibt also die Dominanz der Welt, kein Miteinander im Sinne einer Win-Win-Politik. In der neuen Strategie geht es lediglich um die Anpassung des alten Ziels, des bisherigen Weges an die veränderten politischen und militärischen Gegebenheiten in der Welt. Es gab einige Kommentatoren, welche eine Abkehr der USA von der Wolfowitz-Doktrin von 1992 sehen. Da sind wir anderer Meinung: Es geht darum, den Hegemonenstatus unter allen Umständen zu bewahren.

Schon diese wenigen Worte aus dem Dokument werden dazu führen, dass sich die Strategen in den einzelnen BRICS-Staaten sehr genau jeden einzelnen Schritt überlegen und miteinander abstimmen werden. Genauso genau werden sie jeden Schritt der USA und des Westens analysieren und bewerten. Sie werden nicht alles verkünden, sondern zielstrebig die BRICS weiter voranbringen.

Was die offenen Informationen zu BRICS angeht, so trifft in Folge der aktuellen Entwicklungen um so mehr zu, was wir bereits im ersten Teil schrieben:

„Zurzeit scheint es jedoch so, als ob diese Informationen absichtlich noch vager gehalten werden als zuvor, denn die offizielle BRICS-Webseite hält sich mit Informationen noch mehr zurück als in der Vergangenheit.“

Ein verständliches Vorgehen in Anbetracht der Situation.

Fazit

Die geopolitischen Realitäten wirken selbstredend zurück auf die westliche Art, die Welt zu sehen. Jene von „Full Spectrum Dominance“ geprägte Weltanschauung und das daraus immer wiederkehrend abgeleitete Handlungsmuster in der Politik wird sich nur unter dem Druck der Realitäten ändern.

Die Welt ist im Wandel – und das ist gut so

Der die letzten 500 Jahre die Welt beherrschende westliche Imperialismus wird sich nicht freiwillig durch plötzlich neu gewonnene humanitäre Ansichten auf seine den Realitäten entsprechende neue Rolle zurückziehen. Der durch die rasanten Entwicklungen der letzten Jahre politisch, wirtschaftlich und für viele überraschend sogar militärisch in die Enge getriebene Westen passt sich nur bedingt an. Er sucht nach Wegen, als Gegner definierte Staaten auf jede erdenkliche Art und Weise zu schwächen, im eigenen Sinne zu beeinflussen und aus BRICS herauszubrechen. Denn der Hegemon ist gezwungen seinen Status behalten. Das Funktionieren seines Systems ist darauf angewiesen.

Es ist daher wichtig in der internationalen Politik die Balance zu halten, damit es nur zu beherrschbaren politischen Ausschlägen kommen kann.

Es bedarf daher auf Seiten der BRICS großer Geduld, eines konsequenten Ausbaus der eigenen Strukturen – wirtschaftlich, monetär, politisch, sicherheitspolitisch – ohne einen offenen Antagonismus zu den jeweiligen westlichen Pendants zu provozieren. Es geht darum, so lange es möglich ist, Gemeinsamkeiten zu benennen, um einen möglichen Ausweg für die gesamte Menschheit zu formulieren. Einen Ausweg, der das Schlimmste verhindert.

Soweit die Strategie des multipolaren Globalen Südens. Es darf bezweifelt werden, dass der Kollektive Westen unter der Führung der USA vernünftig handeln wird. Wie kommen wir zu einer solchen Aussage? – Ganz einfach. Die Vereinigten Staaten unterstützen seit zwei Jahren einen offenen und offensichtlichen Genozid in Palästina und lassen sich in Venezuela zu Mord und Piraterie hinreissen. In beiden Fällen, um regionale Konflikte zu beeinflussen. Wenn die Vereinigten Staaten bei solch nichtprioritären Konflikten solche Praktiken anwenden, wie werden sie sich verhalten, wenn es wirklich ums Eingemachte geht?

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