Hetz-Kampagnen gegen Russland

Hetz-Kampagnen gegen Russland

Odessa – Butscha – Saporischschja – Kachowka-Staudamm – Auszug aus dem Buch Geopolitik im Überblick.
Wolfgang Bittner
Mo. 28 Jul 2025 3010 13

Einleitung

Deutschland soll »kriegstüchtig« werden, und die Berliner Regierung hat astronomische Ausgaben für die Aufrüstung bereitgestellt. Denn angeblich will Russland nach der Ukraine Westeuropa erobern, auch wenn es dafür keinerlei Belege gibt und Putin solche Absichten niemals geäußert hat. Trotzdem wird in einem Maße hochgerüstet, dass inzwischen ein dritter Weltkrieg nicht mehr auszuschließen ist. Dennoch gibt es kaum Widerstand gegen diese destruktive Politik, ebenso wenig gegen die übermäßige Reglementierung, Digitalisierung und Überwachung, den Weg nicht nur Deutschlands in den Totalitarismus. Wie aber steht es um die deutsche Souveränität? Und welche Folgen wird die sich global abzeichnende Verschiebung der Machtverhältnisse haben, nachdem sich viele Staaten der Dominanz der USA entziehen?

Fragen, auf die der Schriftsteller und Publizist Wolfgang Bittner Antworten gibt. Sein Buch Geopolitik im Überblick erscheint am 28. Juli 2025 im Verlag Hintergrund in der Reihe Wissen Kompakt. Nachfolgend ein Auszug.

Die Medien als Sprachrohr der Kriegsrhetorik

Die Schuld am Ukraine-Konflikt und dem daraus entstandenen Krieg wird ausschließlich Russland, namentlich dessen Staatspräsident Wladimir Putin angelastet. Kein Wort zu den jahrelangen Umsturzbemühungen westlicher Geheimdienste, Regierungsstellen und NGOs, obwohl deren subversive Tätigkeit erwiesen ist. In Umkehrung der Fakten war aus Washington und Berlin zu hören, Putin breche ständig internationales Recht, er belüge die Weltöffentlichkeit und provoziere den Westen. Spätestens seit dem Maidan-Putsch wurde die sogenannte Vierte Gewalt zum Sprachrohr der Kriegsrhetorik der USA und der NATO mit einer verheerenden Wirkung. Vier Beispiele mögen das verdeutlichen. 

Odessa 2014

Nachdem in Kiew im Februar 2014 der von auswärtigen Kräften lange vorbereitete Regime Change stattgefunden hatte und dort Nationalisten und Bandera-Faschisten an die Macht gekommen waren, fanden in mehreren ukrainischen Städten antirussische Aufmärsche statt, die vom Kiewer Regime und deren Anhängern als »Marsch der Einheit« organisiert wurden, so auch Anfang Mai 2014 in Odessa. Dagegen wandten sich prorussische Demonstranten, die sich ihre Muttersprache nicht verbieten lassen wollten, und dabei kam es mit den aufmarschierten Nationalisten und Faschisten zu Straßenschlachten mit zahlreichen Verletzten. Als sich ein Teil der Demonstranten in das Gewerkschaftshaus flüchtete, zündeten die Verfolger das Gebäude an, wobei 42 Menschen verbrannten oder aus den Fenstern sprangen und totgeschlagen wurden. Die Polizei griff nicht ein, und die Feuerwehr begann erst 40 Minuten nach dem Brandbeginn mit dem Löschen, obwohl die Station nur wenige hundert Meter entfernt ist. Insgesamt starben bei den Auseinandersetzungen 48 Menschen, mehr als 250 wurden verletzt.[1]

Das ausgebrannte Gewerkschaftshaus in Odessa

Über die Morde wurde in den westlichen Medien eher beiläufig und zumeist heuchlerisch berichtet, und die Kiewer Regierung spielte das Geschehen herunter. Bis auf einen Täter, der einen Demonstranten erschossen hatte, wurde niemand zur Verantwortung gezogen, denn die Führungspositionen von Polizei, Geheimdienst und Innenministerium waren gleich nach dem Putsch mit Nationalisten, Faschisten und Mördern besetzt worden, die jegliche Aufklärung verhinderten, so auch die Morde auf dem Maidan-Platz. Polizeichef von Kiew wurde Wadim Trojan, ehemaliger Kommandeur des faschistischen Asow-Bataillons, dessen Kämpfer zum Teil SS-Runen oder Hakenkreuze an den Stahlhelmen trugen.

In Odessa hatte sich gezeigt, wie die Situation in der Ukraine nach dem gewaltsamen Sturz des gewählten Präsidenten Wiktor Janukowytsch wirklich aussah. Während sich westliche Politiker und Medien mit Lobeshymnen für die neuen Kiewer Machthaber übertrafen, hatten Nationalisten und Extremisten, die in Verbindung mit Geheimdiensten und NGOs standen, in wenigen Wochen die gesamte Ukraine, ausgenommen die Krim und die Oblasten Donezk und Lugansk, unter ihre Kontrolle gebracht. Faschistische Schlägertrupps und Milizen terrorisierten die Bevölkerung, viele Oppositionelle wurden ermordet oder flüchteten ins Ausland.[2] Zwar waren an dem Maidan-Aufstand anfangs viele Menschen beteiligt, die einen Anschluss an die Europäische Union wollten, aber von denen hatten sich die meisten wegen der zunehmenden Gewalt schon bald zurückgezogen.

In Odessa, wie überhaupt in der östlichen Ukraine, sprachen viele Menschen Russisch. Die Grenze zu Russland war offen, oft verlief sie mitten durch Ortschaften, und zwischen Ukrainern und Russen wurde nicht unterschieden. Dieser Teil der Bevölkerung wurde durch das Massaker von Odessa in Angst und Schrecken versetzt. Aber darüber berichteten die westlichen Medien nicht, das passte nicht zur Propaganda, wonach das Kiewer Regime für Demokratie und westliche Werte einträte.

Insofern ist die Berichterstattung über die Morde in Odessa ein Beispiel dafür, wie von voreingenommenen Politikern und Journalisten durch Verschweigen, Verfälschungen und Lügen Meinungen manipuliert und antirussische Propaganda verbreitet wurde. Die Hintergründe wurden nicht erwähnt. Dutzende Menschen starben bei einem Feuer, hieß es zumeist in den Medien; wer den Brand gelegt hatte, blieb im Dunkeln. Ein bedauerlicher Einzelfall sei es gewesen, eine Tragödie, eigentlich verursacht von prorussischen Separatisten, die aus Russland gesteuert wurden.

Auf die Frage, was 2014 in Odessa geschah, lautet bei Wikipedia elf Jahre danach immer noch die Antwort entsprechend der zunehmenden geschichtlichen Umdeutung: »Die Kämpfe begannen mit einem Angriff prorussischer Aktivisten auf einen proukrainischen ›Marsch der Einheit‹ und endeten tragisch, als ein Gewerkschaftshaus, in welchem sich prorussische Personen versteckt hatten, in Brand geriet.«[3]

Nach dem Odessa-Massaker wurde die antirussische Propaganda der Kiewer Machthaber und ihrer westlichen Unterstützer immer hemmungsloser. Die Inszenierung des neuen Ost-West-Konflikts und der Ukraine-Krise durch die USA wurde verschwiegen, und sie wird auch nach der Übernahme der US-Präsidentschaft durch Donald Trump nicht thematisiert.

Am 13. März 2025 hat nun der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ein seit Jahren anhängiges Verfahren zu den Vorfällen in Odessa am 2. Mai 2014 durch Urteil abgeschlossen. Darin wird ein Fehlverhalten der Behörden festgestellt, das »über eine bloße Fehleinschätzung oder Nachlässigkeit« hinausgegangen sei.[4] Feuerwehr, Polizei und andere Stellen hätten gegen Artikel 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen, weil sie nicht alles getan hätten, die Gewalt vor dem Gewerkschaftshaus, die von »Aktivisten für die Einheit der Ukraine« verübt worden sei, zu verhindern und die Menschen aus dem brennenden Gebäude zu retten.[5]

Des Weiteren äußerte das Gericht erhebliche Zweifel daran, dass ernsthafte Anstrengungen unternommen wurden, um alle Täter zu identifizieren, obwohl umfangreiche Foto- und Videoaufnahmen von dem Geschehen vorlagen. Doch das dürfte folgenlos bleiben. Die ukrainische Regierung wurde lediglich verurteilt, die Angehörigen der Opfer sowie drei Überlebende des Brandanschlags auf das Gewerkschaftshaus mit verhältnismäßig geringfügigen Beträgen zu entschädigen.

Dass der EGMR in politischer Hinsicht festgelegt ist, zeigte sich, indem die Richter davon ausgingen, dass der »Welle der Gewalt« eine fortgesetzte »aggressive und emotionale Desinformation und Propaganda« durch Russland über die neue ukrainische Regierung vorausgegangen sei. Außerdem findet sich in der Urteilsbegründung ein Hinweis der ukrainischen Regierung auf die Bedrohung und eine mögliche Destabilisierung der Ukraine durch die Russische Föderation und die besondere strategische Bedeutung Odessas. Zudem seien die massiven russischen Aktivitäten hinsichtlich der Ereignisse auf der Krim und in der östlichen Ukraine zu bedenken gewesen.

So gesehen, folgt das Gericht implizit der von den USA und der EU in der Ukraine-Krise verbreiteten Darstellung einer unprovozierten russischen Aggression. Zwar geht es in seinem Urteil auf den Tatbestand, also auf die Fakten des Massakers von Odessa, ein und sieht die Schuld bei den ukrainischen Behörden; was aber zu diesem Ausbruch an Gewalt geführt hat, also die willkürlich herbeigeführte, desaströse antirussische Situation in der Ukraine, bleibt außer Betracht.

Butscha 2022

Wenn eine Lüge nur oft genug wiederholt wird, gilt sie nach einer Weile als Tatsache. Das geschah mit Berichten über ein unfassbares Kriegsverbrechen, das angeblich vom russischen Militär, das seit dem 24. Februar 2022 auf Kiew vorgerückt war, in der ukrainischen Stadt Butscha verübt worden sein soll. Nachdem sich die Russen am 30. März 2022 aufgrund von vielversprechenden Friedensverhandlungen in Istanbul aus dem Gebiet um Kiew zurückgezogen hatten,[6] tauchten Anfang April auf einmal die Welt erschütternde Bilder von einem Massaker auf. Sofort wurden die Russen dafür verantwortlich gemacht, und die Friedensverhandlungen liefen ins Leere.

An den folgenden Tagen wurden 458 Leichen gefunden, von denen die meisten erschossen, misshandelt und gefoltert worden waren.[7] Sie waren über die Straßen verteilt, viele waren gefesselt. Noch bevor irgendwelche Untersuchungsergebnisse vorlagen, gab es einen Sturm der Entrüstung, der immer mehr angeheizt wurde und in hemmungslose Kriegspropaganda gegen Russland ausartete. Die Sanktionen wurden verstärkt, zahlreiche russische Diplomaten ausgewiesen, die Isolation Russlands intensiviert, die Militärhilfe für die Ukraine wurde ausgeweitet.

Am 4. April erschien in der britischen Times ein Artikel, in dem Premier Boris Johnson forderte: »No settlement with Russia until Ukraine holds whip hand« (Kein Übereinkommen mit Russland, bis die Ukraine die Oberhand hat).[8] Am 9. April reiste Johnson nach Kiew, um Wolodomyr Selenskyj mit maßlosen Versprechungen davon abzuhalten, ein in Istanbul von einer ukrainischen und russischen Delegation ausgearbeitetes Kommuniqué für einen Friedensvertrag zu unterzeichnen. Der mörderische Krieg mit weiteren Ungeheuerlichkeiten nahm seinen Lauf. Die Weltöffentlichkeit wurde ständig konfrontiert mit vorgespielter Empörung westlicher Politiker und Journalisten auf der Grundlage fragwürdiger Angaben aus Kiew und von US-»Serviceagenturen« über russische Gräueltaten.

Im Deutschen Bundestag fand am 6. April eine Aktuelle Stunde zu Butscha statt. Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich zuvor von den »entsetzlichen Bildern tief erschüttert« und behauptete, obwohl keinerlei Beweise vorlagen: »Russische Soldaten haben dort vor ihrem Rückzug ein Massaker an ukrainischen Zivilisten verübt, darunter Kinder, Frauen und alte Menschen.«[9]

Die damalige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht stand dem in nichts nach. »Putin nimmt diese grauenvollen, diese grausamen Taten in Kauf«, verkündete sie. »Wer so handelt wie Putin, dem ist es egal, ob die Leichen auf den Straßen von Butscha oder von Tiflis, Vilnius oder Berlin sind.« Eine »Entmenschlichung, die alle Grenzen überschritten hat […] Wir sehen im grellen Licht die Grausamkeit des System Putins«, ein System, »das nationalistischem Großmachtwahn alles unterordnet, das keine Grenzen kennt und keine Hemmung, ein System, das Recht und Menschlichkeit mit Füßen tritt […]«[10]

Ganz im Sinne Washingtons forderte die Ministerin: »Das System Putin darf nicht gewinnen, darf sich nicht durchsetzen, denn sonst können wir uns alle nicht mehr sicher sein. Und daher müssen wir auch in Deutschland lernen, ja, viel wehrhafter zu sein, sehr viel wehrhafter zu sein. Und dieser Gedanke steht hinter der sicherheitspolitischen Zeitenwende, die der Bundeskanzler verkündet hat.«

Die Juristin Lambrecht hätte ebenso wie der Jurist Scholz wissen müssen, dass die Unschuldsvermutung gilt, solange ein Fall nicht aufgeklärt und ein Urteil gesprochen wurde. Sie berief sich auf die Regierungserklärung von Scholz, der am 27. Februar 2022 eine »Zeitenwende« ausgerufen und dem russischen Präsidenten Putin, der »kaltblütig einen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen« habe, Skrupellosigkeit und einen Angriff »auf die Friedensordnung in Europa und der Welt« vorgeworfen hatte.[11] Es ist eine skandalöse, schwer erträgliche Rede, mit der Scholz die Hetze gegen Russland, insbesondere gegen dessen Präsidenten (»Dieser Krieg ist Putins Krieg«) auf unverantwortliche Weise angeheizt hat.

Butscha, etwa 25 Kilometer nordwestlich von Kiew gelegen, wurde zu einer Pilgerstätte der Kriegseiferer. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, EU-Präsidentin Ursula von der Leyen, der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und andere führende Politiker reisten unverzüglich in die Ukraine, um den Tatort der angeblichen russischen Gräueltaten zu besuchen und ihre Anteilnahme zu bekunden. Wolodymyr Selenskij warf Russland Völkermord vor, die USA und Großbritannien verlangten einen Ausschluss Russlands aus dem Menschenrechtsrat.[12]

Ursula von der Leyen und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am 8. April 2022 in Butscha

Aber es gab von vornherein Zweifel an der Version der Kiewer Machthaber, die von den westlichen Politikern und Medien ohne genauere Recherche übernommen worden war. Der Abzug des russischen Militärs war am 30. März 2022 abgeschlossen, aber erst am 1. und 2. April tauchten die ersten Bilder von den Ermordeten auf. Zwischendurch, am 31. März, hatte der Bürgermeister von Butscha, Anatolij Fjodoruk, in einer Videobotschaft den Rückzug der russischen Truppen bestätigt, ohne von Massentötungen oder Leichen zu berichten.[13] Auch ukrainische Soldaten und Abgeordnete, die zur gleichen Zeit vor Ort waren, hatten keine Leichen gesehen. Damit lag schon zu Beginn die Vermutung nahe, dass ukrainische Kräfte prorussische Zivilisten ermordet hatten. Viele der Toten trugen weiße Armbinden (ein Zeichen derjenigen, die mit der russischen Armee kooperieren), zum Teil wiesen sie Schüsse in den Hinterkopf auf, und ihre Hände waren auf den Rücken gefesselt.

Wladimir Putin wies die Berichte zu Butscha als »Fake« zurück, Verteidigungsminister Sergei Lawrow nannte sie »eine Fake-Attacke, die Tage nach dem Abzug unserer Truppen inszeniert wurde«, und das russische Verteidigungsministerium bezeichnete sie als Fälschung und »eine weitere Inszenierung des Kiewer Regimes für die westlichen Medien«. Der in St. Petersburg lebende deutsche Journalist Thomas Röper, der in seinem Blog am 3. April 2022 das Video mit dem Bürgermeister zeigte, kam zu dem Ergebnis, dass »die Meldungen über angebliche russische Kriegsverbrechen in Butscha eine Lüge sind«.

Dass es sich tatsächlich um eine unfassbare Lügenoperation gehandelt hat, geht aus einem Augenzeugenbericht hervor. Der französische Journalist Adrien Bocquet erklärte, er habe miterlebt, wie ukrainische Truppen den Massenmord inszenierten: »Als wir nach Butscha hineinfuhren, saß ich auf dem Beifahrersitz. Als wir durch die Stadt fuhren, sah ich Leichen, die am Straßenrand lagen, und direkt vor meinen Augen luden Leute Leichen von Lastwagen und platzierten sie bei jenen, die bereits auf dem Boden lagen, um die Wirkung eines Massenmordes zu verstärken.«[14]

Man mag es kaum glauben, aber Butscha ist eines von zahllosen Beispielen dafür, wie die Kiewer Regierung unter der Regie der USA und ihrer Dienste die Bevölkerung belogen und aufgehetzt hat. Der Schweizer Sicherheitsexperte und ehemalige NATO-Militäranalyst Jacques Baud schrieb zu Recht, es gehe darum, zu verstehen, was zu dem Krieg geführt hat. Er hält fest, »dass die ›Experten‹, die sich im Fernsehen abwechseln, die Situation auf der Grundlage zweifelhafter Informationen analysieren«, zumeist von Hypothesen ausgingen, »die in Fakten umgewandelt werden, sodass es uns nicht mehr gelingt zu verstehen, was geschieht«.[15] So schaffe man Panik.

Inzwischen muss davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem Massenmord in Butscha um eine inszenierte Aktion gehandelt hat, um einen Friedensschluss in Istanbul zu verhindern und den Stellvertreterkrieg der USA gegen Russland unter Beteiligung der NATO-Staaten zu befeuern.

Beschuss des Atomkraftwerks Saporischschja 

Am 11. August 2022 wurde das Atomkraftwerk Saporischschja zum wiederholten Mal mit schwerer Artillerie und Raketenwerfern angegriffen, nach russischen Angaben aus Ortschaften, die unter ukrainischer Kontrolle standen.[16] Das Werk befindet sich an dem Kachowkaer Stausee, der durch den Fluss Dnipro gebildet wird und dessen Damm am 6. Juni 2023 von ukrainischem Militär gesprengt wurde.

Die Kiewer Regierung und der ukrainische Kernwerksbetreiber Energoatom machten Russland für den Angriff verantwortlich, während russische Separatisten ukrainische Streitkräfte beschuldigten, mit dem wiederholten Beschuss, der eine weit über die Region hinausgehende Katastrophe herbeiführen könnte, die NATO-Staaten zum Eingreifen in den Krieg nötigen zu wollen. Radioaktivität war nicht ausgetreten, die Schäden ließen sich beheben, aber zu einem Brand und schweren Beschädigungen war es dann nach weiteren Angriffen am 11. August 2024 gekommen.[17]

UN-Generalsekretär António Guterres hatte an den »gesunden Menschenverstand« appelliert und dazu aufgerufen, jegliche Militäraktionen im Bereich des Kraftwerks zu unterlassen. Aber der Beschuss wiederholte sich, und obwohl das Kraftwerk seit März 2022 unter russischer Kontrolle stand, gab es wieder und wieder Schuldzuweisungen gegen Russland, als würde sein Militär die eigenen Soldaten beschießen und die in seinem Einflussbereich befindliche Infrastruktur zerstören. Auch die Internationale Atomenergie-Organisation war aufgrund offensichtlicher Befangenheit nicht in der Lage, die extrem gefährliche Situation zu klären.

Der russische Außenminister Sergei Lawrow stellte am 20. September 2022 in einer Rede vor dem UN-Sicherheitsrat fest: »Der verbrecherische Beschuss des AKW Saporischschja durch Kämpfer des Kiewer Regimes, der die Gefahr einer nuklearen Katastrophe heraufbeschwört, bleibt ungesühnt. Und dies, obwohl Mitarbeiter der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) seit dem 1. September dieses Jahres ständig in der Anlage anwesend sind und es nicht schwer ist, die für den Beschuss verantwortliche Seite zu ermitteln.«[18]

Zu dem zögerlichen Verhalten der Organisation sagte Lawrow: »Ich möchte Sie daran erinnern, dass der Besuch der IAEO im Kernkraftwerk Saporischschja künstlich hinausgezögert wurde, obwohl bereits am 3. Juni dieses Jahres alle Einzelheiten koordiniert worden waren und die Mission ungestört dorthin hätte reisen können. Dann kam es zu einer unangemessenen Situation, als die Sicherheitsabteilung des UN-Sekretariats sich weigerte, die von Russland und der Agentur vereinbarte Route zu genehmigen. Dann begann sie zu behaupten, dass die IAEO alle Parameter der Mission selbst bestimmen würde.« Dieses Verhalten westlicher Behörden, das Lawrow als »nicht besonders ehrenvoll« bezeichnete, habe die Untersuchungen um drei Monate verzögert.

Saporischschja, das größte Kernkraftwerk Europas

Um die russische Bevölkerung über die atomare Gefährdung zu unterrichten, erklärte Wladimir Putin in einer Rede am 21. September 2022: »Auch nukleare Erpressung wird jetzt ins Spiel gebracht. Es geht nicht nur um den vom Westen angetriebenen Beschuss des Atomkraftwerks in Zaporož’e, der eine atomare Katastrophe auszulösen droht, sondern auch um die Aussagen einiger hochrangiger Vertreter führender NATO-Staaten, wonach ein Einsatz von Massenvernichtungswaffen, von Atomwaffen gegen Russland möglich und zulässig sei.«[19]

Dass offenkundige Fakten über den Beschuss des Kernkraftwerks von westlichen Medien verdreht wurden, bewiesen unter anderem die Redakteure der Deutschen Welle. Sie berichteten am 9. März 2023: »Das ukrainische Atomkraftwerk Sapotischschja ist nach Angaben des Betreibers wieder am Stromnetz, nachdem es infolge russischer Angriffe am Morgen von der Stromversorgung abgeschnitten gewesen war.«[20]

Wie es 2022/23 in der Ukraine aussah und worüber die westlichen Medien nicht berichteten, dokumentierte ein durchaus glaubwürdiger Beitrag des russischen Fernsehens, aus dem der Journalist und Russlandkenner Thomas Röper folgende Passagen übersetzte: »Die Ukraine hat sich in eine Wildnis verwandelt, in der jeder Bezirk von einem eigenen Warlord befehligt wird. Odessa ging an Maxim Marchenko, den ehemaligen Chef des nationalistischen Aidar-Bataillons. Er wurde zum Gouverneur ernannt. Den Strand von Langeron hat er sofort vermint. Die Zivilisten werden als Schutzschilde benutzt. In Mariupol haben Soldaten der ukrainischen Armee hinter einem Kindergarten Artillerie aufgestellt. In Charkiw stehen sie mit Maschinengewehren auf den Balkonen von Hochhäusern. Von was für humanitären Korridoren ist die Rede? Die Einwohner von Mariupol versuchten, die Stadt zu verlassen, wurden aber in zerschossenen Autos aufgehalten und gerieten in einen Hinterhalt des nationalistischen Asow-Bataillons. Der Befehl lautete, niemanden hinauszulassen und so viel Zerstörung wie möglich zu hinterlassen […] Sie haben die Visapflicht für ausländische Söldner abgeschafft, ließen Gefangene frei und verteilten Waffen an alle, die welche haben wollten […] für Andersdenkende haben sie sogar ihre eigene Strafe erfunden: Auspeitschen, indem man die Opfer mit Klebeband an einen Baum bindet.«[21]

Zu allen Behauptungen wurden entsprechende Bilder gezeigt. Die Schlussfolgerung lautete: »Die Ukraine ist für die USA und Europa Verbrauchsmaterial, ihre historische Aufgabe ist es, Russland zu schaden. Das ist alles.« Der Fernsehbericht zeigte ein Land im Chaos, beherrscht von Verbrecherbanden wie den Asow- und Aidar-Truppen, die ihre Stellungen in der Nähe von Kindergärten oder in Wohnhäusern einrichteten, Oppositionelle ermordeten und False-Flag-Operationen durchführten, wie die in Saporischschja.

Das hielt den deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier nicht davon ab, dem ukrainischen Botschafter Makejew zu versichern, dass Deutschland diese völlig marode Ukraine unterstützen werde, »so lange es nötig sein wird«, militärisch, finanziell und politisch sowie »beim schnellen Wiederaufbau«. Die »lieben Landsleute« stimmte er bei dieser Gelegenheit auf »die neue Zeit« ein, die jeden Einzelnen fordere: »Klar ist: Wir müssen in den nächsten Jahren Einschränkungen hinnehmen. Das spüren die meisten längst. Jeder muss beitragen, wo er kann. Und diese Krise verlangt, dass wir wieder lernen, uns zu bescheiden.«[22]

Das entsprach den Vorgaben aus Washington, aber nicht den deutschen Interessen, die von den gut dotierten Berliner Politikern einschließlich des Bundespräsidenten verantwortungslos missachtet wurden, ebenso wie die existenzielle Gefährdung ganz Europas.

Sprengung des Kachowka-Staudamms

Die deutschen Medien berichteten am 6. Juni 2023 von einer Explosion in der Ostukraine, durch die der unter russischer Kontrolle stehende Kachowka-Staudamm zerstört wurde. Auch in diesem Fall einer ungeheuren Katastrophe für die Menschen und das Land behauptete die Kiewer Regierung, Russland habe eine Sprengung vorgenommen. Die deutschen Medien berichteten, Kiew und Moskau machten sich gegenseitig verantwortlich.[23] Bereits zuvor hatte es mehrere Angriffe ukrainischen Militärs auf den Damm gegeben, die Krater in die hinüberführende Straße rissen.[24] Aber Wolodymyr Selenskyj sprach von einem Terrorakt der Russen. Nach seiner Meinung sollte Anfang Juni eine Gegenoffensive der Ukrainer behindert werden.

Westliche Politiker machten einheitlich Russland verantwortlich. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach in einer Diskussionsrunde von einer neuen Dimension im Ukraine-Krieg; die Zerstörung des Staudammes passe zu der »Art und Weise, wie Putin diesen Krieg führt«. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte: »Dies ist eine ungeheuerlicher Akt, der einmal mehr die Brutalität des russischen Kriegs in der Ukraine demonstriert.«[25] Außenministerin Annalena Baerbock zeigte sich »entsetzt« und erklärte, mit dem Angriff auf den Kachowka-Damm werde ein ziviles Objekt von Russland »als Kriegswaffe missbraucht«.[26]

Demgegenüber hieß es in einer Erklärung des russischen Außenministeriums: »Ein riesengroßer Schaden wegen dieses Sabotageaktes des Kiewer Regimes wurde der Landwirtschaft der Region und dem Ökosystem der Dnjepr-Mündung zugefügt. Wegen einer unvermeidlichen Versandung des Stausees Kachowka wird die Wasserversorgung der Krim erschwert sein, Melioration der Ackerbauflächen des Gebiets Cherson wurde verletzt. Das Geschehene gilt als Terroranschlag, der gegen rein zivile Infrastruktur gerichtet ist. Er wurde vom Kiewer Regime im Voraus, gezielt für militärische Ziele im Rahmen sogenannter ›Gegenoffensive‹ der Streitkräfte der Ukraine geplant […] Wir rufen die Weltgemeinschaft dazu auf, die verbrecherischen Handlungen der ukrainischen Behörden, die immer unmenschlicher werden und eine ernsthafte Bedrohung für regionale und globale Sicherheit darstellen, zu verurteilen.«[27]

Der Kachowka-Staudamm am Dnipro vor seiner Zerstörung.

Der Kachowka-See, gespeist vom Dnipro, ist mit 2.155 Quadratkilometern einer der größten Stauseen der Erde. Er lief durch die Zerstörung eines Teils der 3,2 Kilometer langen Wehranlage nahezu leer und überflutete weite Landstriche am Unterlauf des Flusses. Betroffen waren überwiegend die von Russland besetzten Gebiete mit zahllosen Häusern und der Stadt Nowa Kachowka sowie die Region Cherson. Durch die Sprengung vom 6. Juni wurde auch das Wasserkraftwerk zerstört, das Strom für das Atomkraftwerk Saporischschja lieferte. Aus dem See erhielt es das Kühlwasser, und der Nord-Krim-Kanal, der auszutrocknen drohte, war von essenzieller Bedeutung für die Wasserversorgung der Krim.

Die Stauanlage, die zu Sowjetzeiten in den Jahren 1950 bis 1955 erbaut worden war, diente der Erzeugung elektrischer Energie sowie zur Bewässerung in der Landwirtschaft, wodurch die Ernteerträge der südlichen Ukraine und der Krim gesteigert werden konnten. Außerdem ließen sich die Viehzucht weiterentwickeln und die Schifffahrt auf dem Dnipro durch Regulierung der Wasserstände verbessern.[28]

Die Sprengung des Kachowka-Staudammes, der ein segensreiches technisches Jahrhundertwerk war, ist ein besonders niederträchtiges Verbrechen zu Lasten der ukrainischen Bevölkerung, die angeblich von der Kiewer Regierung vertreten wird.

Wolfgang Bittner, „Geopolitik im Überblick. Deutschland-USA-EU-Russland“, Verlag Hintergrund, Klappenbroschur, 144 S., 14,80 €, ISBN 978-3910568235

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Wolfgang Bittner lebt als Schriftsteller und Publizist in Göttingen. Der promovierte Jurist hat über 80 Bücher veröffentlicht. Er erhielt mehrere Preise und Auszeichnungen und ist Mitglied im PEN. Von 1996 bis 1998 gehörte er dem Rundfunkrat des WDR an, von 1997 bis 2001 dem Bundesvorstand des Verbandes deutscher Schriftsteller. Ausge-dehnte Reisen führten ihn nach Vorderasien, Mexiko, Kanada und Neuseeland, Gastprofessuren 2004 und 2006 nach Polen. Er war viele Jahre freier Mitarbeiter bei Zeitungen, Zeitschriften sowie öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Zu seinen jüngsten Publikationen gehören Der neue West-Ost-Konflikt. Inszenierung einer Krise (2021), Deutschland – verraten und verkauft (2021), Ausnahmezustand. Geopolitische Einsichten und Analysen unter Berücksichtigung des Ukraine-Konflikts (2023) sowie der Roman Die Heimat, der Krieg und der Goldene Westen (2019)

Quellen und Anmerkungen

[1] Vgl. Eike Fesefeldt, »Tragödie von Odessa am 2. Mai 2014. Bis heute nicht aufgeklärt«, in: LTO, 2. Mai 2020, www.lto.de/recht/hintergruende/h/2014-odessa-42-tote-buergerkreig-brand-ukraine-russland-un-europarat-ermittlungen-emrk/ [abgerufen 2. April 2025]

[2] Dazu ausführlich Wolfgang Bittner, Der neue West-Ost-Konflikt, S. 197–215

[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Ausschreitungen_in_Odessa_am_2._Mai_2014 [abgerufen 2. April 2025]

[4] Zit. n. Judgment Vyacheslavova and Others v. Ukraine - State negligence in clashes between Maidan supporters and opponents in Odesa in May 2014.pdf

[5] Ebenda

[6] Vgl. https://www.interfax.ru/russia/831942

[7] Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_Butscha [abgerufen 1. April 2025]

[8] Zit. n. www.thetimes.com/world/russia-ukraine-war/article/no-settlement-russia-ukraine-nato-boris-johnson-pxfkbr27g?region=global

[9] Zit. n. Deutschlandfunk Kultur, 6. April 2022, www.deutschlandfunkkultur.de/aktuelle-stunde-zum-massaker-in-butscha-im-bundestag-dlf-kultur-1dab7f3e-100.html

[10] Zit. n. www.youtube.com/watch?v=wV1ks1a4Z0U [abgerufen 7. April 2025]

[11] Redetext: www.bundesregierung.de/breg-de/suche/regierungserklaerung-von-bundeskanzler-olaf-scholz-am-27-februar-2022-2008356

[12] Vgl. Tagesschau, 6. April 2022, www.tagesschau.de/ausland/europa/selenskyj-ukraine-sicherheitsrat-101.html

[13] Vgl. www.pravda.com.ua/rus/news/2022/04/1/7336396/. Sowie: www.kommersant.ru/doc/5293082

[14] Zit. n. https://weltwoche.ch/daily/was-geschah-wirklich-in-butscha-ueber-fakten-und-die-widersprueche-des-westens/

[15] Zit. n. sicht-vom-hochblauen.de, 20. April 2022, https://prosv.at/wp-content/uploads/2022/02/UK-Baud-4-Interview-9.04.-2022.pdf

[16] Vgl. www.dw.com/de/ukraine-aktuell-akw-saporischschja-erneut-beschossen/a-62773137

[17] Vgl. www.tagesschau.de/ausland/europa/ukraine-saporischschja-126.html

[18] Zit. n. RT DE, 22. September 2022, https://pressefreiheit.rtde.tech/europa/149669-lawrow-vor-un-sicherheitsrat-wir/. Dokumentiert in Wolfgang Bittner, Ausnahmezustand, S. 272

[19] Zit. n. https://zeitschrift-osteuropa.de/blog/vladimir-putin-erklaerung-der-teilmobilisierung/

[20] www.dw.com/de/ukraine-aktuell-akw-saporischschja-wieder-am-netz/a-64926318

[21] Zit. n. Anti-Spiegel, 7. März 2022; www.anti-spiegel.ru/2022/in-der-ukraine-herrscht-das-chaos-und-selensky-lallt-vor-der-presse/?doing_wp_cron=1667614361.9042179584503173828125

[22] Siehe www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Frank-Walter-Steinmeier/Reden/2022/10/221028-Alles-staerken-was-uns-verbindet.html

[23] www.tagesschau.de/ausland/europa/ukraine-staudamm-kachowka-100.html

[24] Vgl. www.n-tv.de/politik/Moskau-meldet-Beschuss-von-Kachowka-Staudamm-article23699497.html

[25] Vgl. www.youtube.com/watch?v=hz9Jqq3YdTA; www.deutschlandfunk.de/die-situation-ist-dramatisch-baerbock-und-scholz-zum-kachowka-damm-dlf-63993b22-100.html

[26] Vgl. www.merkur.de/politik/baerbock-entsetzt-zerstoerung-kachowka-staudamm-92326724.html

[27] Zit. n. https://mid.ru/de/foreign_policy/news/1885611/

[28] https://de.wikipedia.org/wiki/Kachowkaer_Stausee

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