
Geschichtsbewusstsein: Was Deutschland von Russland lernen könnte
Einleitung
Peter Hänseler durfte anlässlich der «Mut zur Ethik» - Konferenz, welche vom 29. bis zum 31. August in Sirnach, Schweiz, stattfand, zum Thema «Was Deutschland von Russland lernen könnte» sprechen. Dieser Artikel basiert auf jener Rede.
Die Europäische Arbeitsgemeinschaft „Mut zur Ethik“ ist ein internationales Forum, das seit Anfang der 1990er-Jahre jährlich in der Schweiz eine grosse Tagung veranstaltet, und sich als ein Kreis von Persönlichkeiten aus verschiedenen Ländern Europas (und darüber hinaus) versteht, die sich für eine am Menschen orientierte, wertegebundene Ethik einsetzen. Sie legt besonderen Wert darauf, in gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und pädagogischen Fragen nicht ideologischen Strömungen zu folgen, sondern Orientierung an einer „objektiven Ethik“ zu suchen.
Kommt darauf an, wen man fragt
Würde man etwa Friedrich Merz fragen, was man von den Russen lernen könnte, so wäre die Antwort sicher folgende: «Nichts!». Der deutsche Bundeskanzler ist so sehr von sich überzeugt, dass er nicht merkt, auf welch schiefer Bahn sich dieses einst grossartige Land der Dichter und Denker befindet, das noch vor ein paar Jahren Exportweltmeister war. Zustimmungsrate dieses Bubis: Lediglich 21% sind mit Merz zufrieden.

Dies ist ein Hinweis dafür, dass sich dieser geistige Zwerg in einem langen Körper als neuen Führer sieht, denn ein Führer schert sich nicht um Zustimmungsraten. Vor kurzem kam folgender Satz über die Lippen dieses Kanzlers – man mag es gar nicht glauben:
«In Teilen unserer Bevölkerung gibt es eine tiefsitzende Kriegsangst. Ich teile sie nicht, aber ich kann sie nachvollziehen.»
Friedrich Merz
«Das deutsche Volk schläft im Stehen»
Als ich dieses Thema mit deutschen Freunden besprach, war die Stimmung eingetrübt, denn zu den irrsinnigen Politikern, die in Deutschland Tradition haben, kommt hinzu, dass das Volk die Schieflage offensichtlich auch diesmal nicht zu erkennen vermag oder gewillt ist, dies zu tun. Mit folgendem Bonmot erzeugte einer meiner engsten Freunde dennoch einen Lacher: «Das deutsche Volk schläft im Stehen.»
Wer aus dem Vergangenen nicht lernt – lässt die Geschichte wiederholen
Wenn man sich mit seiner Geschichte nicht ehrlich und kritisch auseinandersetzt, wird man immer wieder die gleichen Fehler begehen. Anders als bei Mark Twain reimt sich die Geschichte bei solchem Verhalten nicht, sondern wiederholt sich. Das betrifft übrigens nicht nur Staaten, sondern auch Menschen. Wir alle machen Fehler, viele Menschen lernen daraus, Dummköpfe jedoch nicht – sie machen immer wieder die gleichen Fehler. Diese Verhaltensmuster erkennt man auch an sich selbst – und noch viel öfter bei anderen. Der berühmte Blick in den Spiegel ist somit ein Hilfsmittel, das im Privaten und in der Geopolitik gleichermassen wertvoll ist – oder sein könnte.
Geschichtsbewusstsein beginnt bei der Sprache
Ich verwende den Begriff «Geschichtsbewusstsein», weil ich es für das beste Gegenmittel gegen das Wiederholen von Katastrophen erachte. Geschichtsbewusstsein setzt jedoch beim Betrachten der eigenen Geschichte viel Skepsis voraus und bereits darin sind die Russen Weltmeister. Die Russen glauben gar nichts, was ihnen erzählt wird, weder von Geschichtsbüchern, noch von Medien, noch von Regierungen – und sei es die eigene. Die Russen haben die natürliche Fähigkeit, alles was ihnen zugetragen wird, zu hinterfragen – also auch ihre eigene Geschichtsschreibung. Das führt zu Diskussionen und je vielschichtiger die Meinungen in solchen Diskussionen sind, umso gesünder ist das Ergebnis. Mir ist nicht wichtig, ob etwa Stalin von einem Kollegen nach Abwägung aller Faktoren als positive oder negative Person gesehen wird, die Diskussion an und für sich lässt die Chancen, dass negative Vorkommnisse sich in der Zukunft wiederholen können, eindeutig sinken.
Menschen sind keine Ungeheuer – das wäre zu einfach
Es ist sehr bequem, zu bequem, Adolf Hitler und Josef Stalin als schlimmste Figuren aller Zeiten zu bezeichnen und sie in die gleiche Schublade zu verbannen, die das Etikett «Ungeheuer» trägt. Denn, mit Ungeheuern muss man sich nicht beschäftigen, mit Menschen schon. Aber beide dieser historischen Figuren waren Menschen und haben nicht nur ihre Heimatländer, sondern die gesamte Welt nachhaltig geprägt. Somit ist es notwendig, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, um sie zu verstehen, falls man sicherstellen möchte, dass sich die Geschichte nicht wiederholt.
In Russland wird Joseph Stalin nicht als Ungeheuer angesehen, sondern als wichtige historische Figur, die einen enormen Einfluss auf das Land hatte. Er ist durchaus höchst umstritten und die Ansichten und die Reaktionen über ihn sind teilweise widersprüchlich. Ihre auf Skepsis beruhende Fähigkeit zu einer unvoreingenommenen Diskussion selbst derart emotional schwieriger Themen lässt die Russen jedoch auch historisch belastete Themen mit Respekt, Würde und Achtung vor der Geschichte behandeln.
Die Urgrosstante meiner verflossenen Ehefrau etwa wurde von Stalin in den Dreissigerjahren wegen einer Lappalie zu 15 Jahren Lagerhaft in Sibirien verurteilt. Sie überlebte diesen Alptraum und kehrte zurück in die Gesellschaft. Als Stalin ein paar Jahre später starb, weinte sie wie ein Schlosshund über dessen Tod. Das erachten wir im Westen als widersprüchlich, denn dieses Verhalten ist überraschend und zeigt, wie eng das Positive und Negative mit einer Person verknüpft sein kann.
Auf der einen Seite ist man mit beinahe grenzenloser Brutalität konfrontiert. Auf der anderen Seite stehen die grossen Leistungen von Stalin. Zwei Leistungen stechen hervor: Stalin war für die rasche Industrialisierung der Sowjetunion verantwortlich. Dabei zeigte er eine Weitsicht und Genauigkeit in der Analyse, die geradezu unheimlich erscheinen kann.
Weiter verwandelte seine Führungsrolle im Zweiten Weltkrieg eine Beinahe-Niederlage in ein Obsiegen, da er die Bevölkerung zusammenhielt, zu übermenschlichen Leistungen motivierte und – im Gegensatz zu Hitler – die richtigen militärischen Führer entscheiden liess. Der Sieg wurde teuer erkauft, aber er gelang.
Für einen Westler sind diese unbestrittenen Leistungen vor dem Hintergrund der riesigen hinterlassenen Leichenberge schwer zu vermitteln. Dennoch, die heftige Diskussion über Stalin in Russland, eine sehr anstrengende und teilweise auch unerfreuliche Debatte, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Zukunft eine Wiederholung der grauenhaften Aspekte der Stalin-Herrschaft verunmöglichen.
Die Diskussion in Deutschland über Hitler wuchs nie über die Beschreibung des Ungeheuers hinaus. Es war bequemer, dieses «Ungeheuer» unter den Teppich zu kehren und alles, was mit ihm zusammenhing flach zu machen. Würde der Obersalzberg und die Reichskanzlei noch stehen, so wären sich die Deutschen etwa des Grössenwahns Hitlers bewusst – nichts von volksnah.

Im letzten Jahr besuchte ich die Datscha von Stalin in Sotschi und war über die Einfachheit seiner Wohnräume überrascht. Auch seine Arbeitsräume im Moskauer Kreml waren keineswegs pompös.


Bis Mai 1945 wurden die Deutschen von Joseph Goebbels angelogen, dann von anderen. Der Umstand, dass diese Lügen das Geschichtsverständnis der Deutschen richtiggehend zerstört haben, werden wir nun anhand einiger Beispiele erörtern.
Die USA brauchten nach den Nazis einen neuen Feind
Krieg ist ein hochprofitables Geschäft – für Wenige
Der Normalbürger betrachtet Krieg aus der Sicht der Massen und sieht ein Bild von Zerstörung, Toten und Entbehrung. Die Geldeliten eines Landes sehen dies jedoch komplett anders. Krieg ist ein riesiges Geschäft und die Geldmengen, welche für kriegsnotwendige Güter ausgegeben werden, sind astronomisch, die Gewinnmargen für die daran Beteiligten himmlisch. Als sich um 1943 abzeichnete, dass Deutschland den Krieg verlieren würde, machten sich die Geldeliten in den USA bereits Sorgen darüber, dass bei Ausbrechen des Friedens der ganze Geldsegen, der ihnen durch die gigantischen Rüstungsaufträge zuflossen, versiegen könnte. Diese Eliten waren nicht nur sehr reich, sondern hatten einen riesigen politischen Einfluss, denn neben der Fähigkeit, Rüstungsgüter herzustellen, benötigt man auch den Einfluss, diese durch politischen Einfluss und Korruption verkaufen zu können. Damit war der militärisch-industrielle Komplex geboren.
Roosevelt wollte nachhaltigen Frieden – andere nicht
Roosevelt und Stalin hatten ein gutes Arbeitsverhältnis. Dass Roosevelt Stalin «Onkel Joe» nannte, war wohl reine Propaganda, aber das gute geopolitisches Verhältnis beruhte darauf, dass Stalin Wort hielt; er war ein zuverlässiger Verbündeter. Zudem trugen die Russen die Hauptlast des Kriegs gegen Hitler. Roosevelt strebte nach dem Krieg einen nachhaltigen Frieden an. Ein zweites Versailles kam für ihn nicht in Frage. Seine Absicht war, Deutschland und die Sowjetunion wieder aufzubauen und beiden Parteien hälftige Hilfe zukommen zu lassen. So viel zu den Plänen von Roosevelt.
Frieden ist jedoch kein gutes Geschäftsmodell für den militärisch-industriellen Komplex. Da der Gesundheitszustand von Roosevelt bereits 1944 so schlecht war, dass man richtigerweise davon ausging, dass Roosevelt zwar wiedergewählt, das Ende seiner vierten Amtszeit jedoch nicht erleben würde, suchte man einen geeigneten Vize-Präsidenten – eine Marionette. Diese fand man in der Person von Harry S. Truman. Das Problem für die Gruppe war es nun, den äusserst liberalen, beliebten und auf Frieden getrimmten Vizepräsidenten Henry Wallace abzuschiessen, der die Strategie Roosevelts weitergeführt hätte und dem militärisch-industriellen Komplex somit im Wege stand. Dieses Unterfangen gelang schliesslich, indem man zu höchst schmierigen Mitteln griff. Roosevelt wurde unter Druck gesetzt. Obwohl Henry Wallace absolut intakte Chancen hatte, gewann Truman die "Wahl".

Diese «Wahl», die keine war, wurde von Oliver Stone in seiner grossartigen Serie «The Untold History of he United States» 2012 im dritten Teil der Serie beeindruckend dargestellt und analysiert. Die Dokumentation, welche von "Showtime" produziert wurde und anfangs auch auf Netflix zu sehen war, wurde bereits vor Jahren von den grossen Streaming-Portalen verbannt: Zu brisant und zu ehrlich wird die Geschichte der Vereinigten Staaten von Oliver Stone dargestellt. Diese Wahrheit sollte man niemandem zumuten. Ich empfehle jedem Leser, diese Serie anzuschauen. Befragt man das Internet über diese «Wahl», so lügt einem KI noch heute vor, dass dies eine richtige Wahl war. Ein Hinweis dafür, dass dieses Schmierentheater vor 80 Jahren die Weltgeschichte nachhaltigst beeinflusste und es den Mächtigen noch heute wichtig erscheint, die Wahrheit unter dem Deckel zu halten.
Vom Freund zum Feind in einem Wimpernschlag
Während des Krieges wurde Russland als grossartiger Freund und Verbündeter gefeiert, indem man von Spitzenregisseuren wie Frank Capra Propagandafilme drehen liess. Ich verweise auf den fünften Teil der amerikanischen Propagandafilmserie «Why we fight», der den Namen «The Battle of Russia» trug.

Innert eines Wimperschlages wurde Russland jedoch nach dem Krieg wieder zum Feind. General Patton brachte den Vorschlag auf, die UdSSR anzugreifen und kurz darauf begann die Jagd auf Kommunisten in den USA, wobei man einfach alle jene, welche man zerstören wollte, «Kommunisten» nannte. Vergleiche mit Hexenverfolgungen im Mittelalter muss diese menschenverachtende Verfolgung von Menschen nicht scheuen.
«Trotz dieses Verrats an der Sowjetunion schlägt Russland gegenüber den USA immer noch diplomatische und freundliche Worte an, eigentlich erstaunlich.»
Wie unwahr die Rolle Russlands im Zweiten Weltkrieg heute beschrieben wird, zeigten wir anlässlich der Feierlichkeiten zum 9. Mai in einem Beitrag, in welchem wir Lügen von Keir Starmer und Joe Biden den Aussagen von Winston Churchill und Franklin D. Roosevelt im Beitrag «Westliche Propaganda ohne Grenzen: Demaskiert» gegenüberstellten.
Für mich persönlich ist diese Wende, dieser damalige Verrat, der bis heute perpetuiert wird, an jenem Volk, das die Welt vor den Nazis nicht weniger als gerettet hatte, schwer verdaulich. Die Amerikaner müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie die Russen immer wieder über viele Jahrzehnte über den Tisch gezogen und ohne Wenn und Aber auch den militärischen Konflikt in der Ukraine zu verantworten haben. Darüber haben wir uns ausführlich, letztmals in unserem Artikel «Trump-Putin: Ein Deal, Jalta oder keine Einigung», geäussert. Trotz dieses Verrats an der Sowjetunion schlägt Russland gegenüber den USA immer noch diplomatische und freundliche Worte an, eigentlich erstaunlich.
Vom Feind zum Freund in einem Wimpernschlag
Neben einem neuen Feind, der die Kassen des militärisch-industriellen Komplexes dank sich perpetuierender Aufrüstung füllte, brauchte man auch ein Gegengewicht in der Form eines neuen «Freundes» und Verbündeten. Da bot sich Deutschland an, denn die schwerwiegende Zerstörung Deutschlands versprach riesige Investitionen für den Wiederaufbau und somit grosse Gewinne. Zudem konnte man sich als hehrer, wohlwollender Helfer präsentieren, indem man kurz nach dem Krieg unter anderem den Marschallplan anstiess, der zum Gassenhauer der neuen amerikanisch-deutschen Freundschaft heraufstilisiert wurde.
Die ganze Sache hatte jedoch einen kleinen unappetitlichen Schönheitsfehler, der darin bestand, dass die Deutschen nicht nur den Holocaust an den Juden zu verantworten, sondern sich gegenüber Zivilisten in allen besetzten Ländern übelst verhalten hatten, speziell in der Sowjetunion, wo die Deutschen nicht weniger als 15 Millionen Zivilisten abgeschlachtet hatten. Damit erreichten die Nazis das im Generalplan Ost gesetzte Ziel, 30 Millionen Menschen zu töten oder verhungern zu lassen, zur Hälfte.
Die praktisch denkenden Amerikaner kamen jedoch zum Schluss, dass viele dieser Verbrecher sich hervorragend als Helfer für die neue, gute Sache eigneten. Neben Operationen wie «Paperclip», das Verbringen von Nazi-Wissenschaftern in die USA, wurden Tausende von Nazis wieder in die Gesellschaft Deutschlands reintegriert. Man traf sie ein paar Jahre nach dem Krieg wieder in der Regierung, im Geheimdienst, an den Universitäten und in grossen Firmen an. Erstaunlich, nachdem die Nazis jahrelang zu Recht als Schwerverbrecher dargestellt wurden, die an die Wand gestellt gehörten.
Den Amerikanern muss man Marketing nicht beibringen. Im Folgenden einige Beispiele wie man der Welt das Gegenteil der Wahrheit schmackhaft machte und den Deutschen damit das Geschichtsbewusstsein raubte.
Wir hatten mit der ganzen Sache nichts zu tun
Die Deutschen werden zu Opfern
Zuerst veranstaltete man eine riesige Show der Sühne für den Westen, indem man anlässlich der Nürnberger Prozesse (wohl besser: Festspiele) ein paar Quotennazis aufhängte. Kurz darauf drehte der Wind. Zum Beispiel wurden die Russen als grosse Vergewaltiger von deutschen Frauen dargestellt. Es trifft zu, dass deutsche Frauen von russischen Soldaten – übrigens auch von anderen alliierten Soldaten – vergewaltigt wurden. Im Gegensatz zu Deutschland und Japan, welche Vergewaltigung und Mord an der Zivilbevölkerung in besetzten Gebieten förderten oder sogar befahlen, waren die Vorfälle, in welchen russische Soldaten zu Tätern wurden, statistisch gesehen Einzelfälle.
Das hatte auch damit zu tun, dass Stalin am 19. Januar 1945 betreffend Verhalten seiner Soldaten im besetzten Gebiet, einen Befehl herausgab, der an Klarheit nicht zu überbieten war:
„Offiziere und Soldaten der Roten Armee! Wir marschieren in das Land des Feindes. Jeder muss die Beherrschung bewahren, jeder muss mutig sein... Die in den eroberten Gebieten verbliebene Bevölkerung, unabhängig davon, ob es sich um Deutsche, Tschechen oder Polen handelt, darf keiner Gewalt ausgesetzt werden. Die Schuldigen werden nach den Gesetzen der Kriegszeit bestraft. Auf dem eroberten Gebiet sind sexuelle Beziehungen mit Frauen nicht erlaubt. Für Gewalt und Vergewaltigungen werden die Schuldigen erschossen.“
Stalins Befehl vom 19. Januar 1945
Behauptet wird, dass ca. 100'000 Frauen von Sowjetischen Soldaten vergewaltigt worden seien. Diese Zahl stammt übrigens von einem Arzt der Berliner Charité, ist in keiner Art und Weise belegt, da er die Zahlen seiner Klinik auf Deutschland hochrechnete. Dennoch übernehmen wir diese Zahl für unsere folgenden Überlegungen.
In Deutschland befanden sich bis ca. 10 Millionen sowjetische Soldaten. Statistisch gesehen beging jeder hundertste sowjetische Soldat eine Vergewaltigung, was jedoch ebenfalls eine irreführende Zahl ist. Vergewaltiger sind Serientäter. Gehen wir davon aus, dass ein Vergewaltiger 10 Frauen vergewaltigt hatte, verhielten sich 99,9% der sowjetischen Soldaten korrekt gegenüber den deutschen Frauen. Demgegenüber stehen 15 Millionen Tote Sowjetbürger, die von ca. 3 Millionen deutschen Soldaten umgebracht wurden. Statistisch gesehen ermordete jeder Deutsche Soldat 5 Sowjetbürger. Soweit zu den Verhältnismässigkeiten. Hier geht es nicht darum, die Vergewaltigungen an sich zu relativieren, eine Tragödie ohnegleichen und eine nichtentschuldbare Tat.
Die 100'000 vergewaltigten Frauen sind selbstverständlich auch heute ein grosses Thema in der deutschen Presse. Von den 15 Millionen toten Zivilisten hört man jedoch nichts. Die üble Propaganda, welche vor 80 Jahren begonnen hat, bricht nicht ab – heute zur Vorbereitung zum nächsten Krieg gegen Russland.
Fast alle Einsatzgruppenschlächter kamen davon
Bevor die Juden in Konzentrations- und Vernichtungslagern industriell umgebracht wurden, wurden vier sogenannte Einsatzgruppen aufgestellt. Diese Gruppen, die aus 400 bis 1.000 Soldaten bestanden, hatten zwischen 1941 und 1943 die Aufgabe, in den eroberten Gebieten der Sowjetunion nicht nur Juden, sondern alle sogenannten Untermenschen, somit auch russische Zivilisten systematisch umzubringen.
Die meist aus normalen Soldaten gebildeten Einheiten schlachteten ca. eine Million Menschen ab, darunter Frauen, Kinder und alte Menschen. Heute weiss man, dass die Behauptung eines Befehlsnotstands, die regelmässig als Rechtfertigung der Täter angeführt wurde, einer Prüfung mit den Fakten nicht standhält. Jeder Soldat hatte die Möglichkeit, an diesen Aktionen nicht teilzunehmen. Eine Weigerung hatte keine negativen Konsequenzen für die Betroffenen. Viele, denen diese Aufgabe zuwider war, beteiligten sich dennoch und führten an, dies aus Pflichtgefühl und Loyalität gegenüber ihren Kameraden getan zu haben.
Otto Ohlendorf führte eine dieser Einsatzgruppen, die übrigens an die Armee von Mansteins angehängt war – dazu später unten - und beschrieb am 6. Januar 1946 als Zeuge der Anklage im Hauptprozess von Nürnberg seine Arbeit emotionslos und wahrheitsgemäss.
Im späteren separaten Einsatzgruppenprozess wurden konsequente Urteile gefällt: Alle 24 Angeklagten wurden für schuldig befunden.

14 von ihnen erhielten die Todesstrafe, zwei wurden zu lebenslanger Haft verurteilt und die übrigen erhielten Gefängnisstrafen zwischen 10 und 20 Jahren. Die konsequente schwere Bestrafung der Täter im Einsatzgruppenprozess löste sich jedoch in Luft auf: So wurden von den 14 zum Tode Verurteilten lediglich drei hingerichtet, unter anderem Ohlendorf. Alle anderen Verurteilten kamen zwischen 1951 und 1958 frei.
Manstein – Held statt Kriegsverbrecher
Bis heute wird Erich von Manstein international als taktisches Genie gefeiert. Es trifft zwar zu, dass Manstein ein hervorragender General war. Ihm wird etwa die geniale Strategie der Deutschen im Frankreichfeldzug 1940 zugeschrieben, als die Deutschen einen Überraschungsangriff durch die Ardennen führten und damit die Franzosen komplett überrumpelten. Weiter sind seine Erfolge in Sevastopol 1941/1942 und Kharkow 1943 zu nennen. Sein Heldenstatus als General beeinflusste sogar die alliierten Führer. Als Manstein nach dem Krieg vor Gericht gestellt wurde, unterstützte ihn sogar Winston Churchill finanziell bei der Deckung der Anwaltskosten. Manstein war jedoch – wie alle deutschen Frontgeneräle – ein übler Kriegsverbrecher.

Dr. Ohlendorf legte dazu Zeugnis ab: Die Einsatzgruppen waren den Heeresgruppen nicht nur zugeteilt, sondern unterstellt. Offiziere der Schlächtergruppen wurden in die Führungsgruppe um Manstein abgestellt, um mit den Offizieren die Abschlachtung zu koordinieren. In seiner Zeugenaussage sagte Ohlendorf unter anderem aus, dass von Mansteins Führung der Befehl kam, die «Aktionen» mindestens 200 km von der Wehrmacht auszuführen. Damit blieben keine Fragen offen. Von Manstein wusste nicht nur von dem Völkermord, sondern koordinierte ihn auch mit der SS. Zwar wurde von Manstein zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt, sass jedoch nur kurz in Haft und wurde entlassen, um zwei Bestseller zu schreiben «Verlorene Siege» (1955) und «Aus einem Soldatenleben» (1958). Verlorene Siege las ich zum Teil: Eine Beschönigung der eigenen Leistungen, wo alle Fehler dem verstorbenen Hitler und seinem Erzfeind Halder in die Schuhe geschoben wurden, unter Weglassung des mit ihm koordinierten Genozids an den Russen. Eine üble, aber bequeme Verdrehung der Fakten.
Ich möchte darauf hinweisen, dass diese Beispiele aus einem Topf von Hunderten oder Tausenden von unappetitlichen Fakten herausgegriffen wurden, um als Beispiele dafür zu dienen, dass die Geschichte des zweiten Weltkriegs und die Zeiten danach so nachhaltig vergewaltigt wurde, dass Lügen zu Fakten und Fakten zu Lügen wurden.
Franz Halder – 15 Millionen russische Zivilisten auf dem Gewissen
Zu den unappetitlichsten Figuren des Dritten Reichs zählte Franz Halder, der von 1938 bis 1942 Chef des Generalstabs des Heeres war. Er war eng in die Pläne zur Eroberung Russlands und somit auch in den Genozid involviert und hätte es auf jeden Fall verdient, nach dem Krieg hingerichtet zu werden.

Seine Abteilung machte den Genozid an der russischen Zivilbevölkerung erst möglich: Der Kommissarbefehl vom 6. Juni 1941, der in der Allgemeinheit mehr oder weniger bekannt ist, verpflichtete das deutsche Ostheer, alle gefangen genommenen Politoffiziere der Roten Armee noch im Frontbereich auszusondern und an Ort und Stelle zu exekutieren. Der sogenannte Kriegsgerichtsbarkeitserlass vom 13. Mai 1941 jedoch war die Freikarte für alle Angehörigen der deutschen Streitkräfte, die die sowjetische Bevölkerung abzuschlachten.
Der Befehl ist in mehrfacher Hinsicht zentral für den Genozid:
Erstens, der Befehl wurde nicht etwa von Heinrich Himmler, Chef der SS, erlassen. Dies ist wichtig im Zusammenhang, dass seit dem 2. Weltkrieg versucht wird, Völkermord und Kriegsverbrechen in die Schuhe der SS zu schieben, um die Wehrmacht reinzuwaschen. Der Befehl kam vom Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Wilhelm Keitel. Adressatin war somit die Wehrmacht und nicht etwa die SS.
Zweitens, dieser Befehl entzog den Entscheid zu morden der Zuständigkeit der Kriegs- und Standgerichte.
Drittens, gegen Ortschaften, welche sich gegen die Besatzung wehrten – das wird wohl jede Ortschaft gewesen sein, welche angegriffen wurde – wurden kollektive Gewaltmassnahmen angeordnet, sprich Genozid.
Viertens, Armeeangehörige, welche diesen Genozid ausführten, wurden nicht verfolgt, indem folgendes formuliert wurde: «für Handlungen, die Angehörige der Wehrmacht und des Gefolges gegen feindliche Zivilpersonen begehen, besteht kein Verfolgungszwang, auch dann nicht, wenn die Tat zugleich ein militärisches Verbrechen oder Vergehen ist.»
Vom Quantitativen her war Halder somit übler als etwa Reinhard Heydrich und hätte das schlimmste Schicksal verdient. Das Gegenteil war der Fall: Er wurde von den USA zum Leiter der deutschen Abteilung der Kriegsgeschichtlichen Forschungsgruppe der US-Army (Operational History (German) Section) ernannt und erhielt den Auftrag, die Geschichte des Ostfeldzugs zu verfassen. Halder verklärte den Ostfeldzug der Nazis zu einem Präventivschlag und war der Architekt des Mythos „Saubere Wehrmacht”, ein Narrativ, das den Fakten keinesfalls standhält, aber noch heute in den Köpfen der Deutschen verankert ist – frei nach dem Motto: „SS schlecht, Wehrmacht gut.”
Tod von Hitler und Bormann – wo ist das ganze Geld?
An dieser Stelle möchte ich mit zwei Beispielen aufzeigen, auf welch tönernen Füssen die offiziellen Versionen über das Verbleiben von zwei der grössten Figuren von Nazideutschland stehen. Die folgenden Ausführungen sollen lediglich aufzeigen, dass die offizielle Geschichtsschreibung auch in den wichtigsten Belangen möglicherweise falsch ist. Dass an den folgenden Theorien Wahres enthalten sein könnte, ergibt sich bereits aus den Reaktionen der Gralshüter der offiziellen Geschichtsschreibung: «Verschwörungstheorien!»
Adolf Hitlers Tod
Adolf Hitler starb offiziell am 30. April 1945 durch Suizid im Führerbunker in Berlin. Viel wurde darüber geschrieben und viele Filme gedreht, wohl auch um dieses Kapitel zu schliessen, denn viele Bücher und Filme lassen ein Ergebnis als sicher erscheinen. Es gab immer wieder Theorien, dass Hitler überlebt habe, aber diese Theorien wurden reflexartig als Verschwörungstheorien abgetan. Eine Geschichte jedoch – auch diese wurde selbstverständlich als Verschwörungstheorie abgetan – wurde äusserst aufwendig recherchiert. 2011 publizierte der britische Autor Simon Dunstan zusammen mit dem Journalisten Gerard Williams das Buch «The Grey Wolf» (dt. Der graue Wolf), das 2014 als Dokudrama adaptiert wurde. Danach floh Hitler nach Argentinien und starb dort 1962. Ich habe das Buch gelesen und die Doku gesehen, beides war spannend und glaubwürdig. Ich weiss jedoch nicht, ob diese Geschichte wahr ist. Was jedoch überrascht, ist der Umstand, dass sich keine Universität der Sache angenommen hat.
Martin Bormanns Tod
Auch der Tod von Martin Bormann ist sagenumwoben. Offiziell starb er am 2. Mai 1945 auf der Flucht aus dem Führerbunker. 1972 fand man dann den Schädel von Bormann. Diese Geschichte hat jedoch drei Haken. Erstens wurde der Schädel nicht an dem Ort gefunden, an dem die damaligen Zeugen angaben, dass Bormann gestorben sei. Zweitens enthielt der Schädel Erdreste, die es in Berlin nicht gibt, sondern nur in Paraguay. Zudem wies ein Zahn am Schädel eine Behandlungsmethode auf, die es 1945 noch gar nicht gab. Auch bezüglich Bormann wird jede Theorie, dass er den Krieg überlebt hat als Verschwörungstheorie abgetan.
Ich habe mich mit diesen Geschichten nie im Detail befasst. Das Leben hat mich jedoch gelehrt, der «offiziellen» Meinung nicht zu trauen. Fakt ist, dass nach dem Krieg Tausende von Nazis nach Südamerika flohen und dort meist unbehelligt lebten – die Ausnahmen, welche die Regel bestätigen sind etwa Adolf Eichmann, Klaus Barbie, Erich Priebke. Sie wurden mit viel Brimborium als Quotennazis bestraft, mehr nicht.
Wo ist das ganze Geld?
Nie wurde klar untersucht, wo die ganzen riesigen Vermögenswerte verblieben, welche während der Nazi-Zeit, ab ca. 1943 aus Deutschland, verschoben wurden. Gemunkelt wird, dass Bormann ab 1943, der unter anderem als Säckelmeister von Hitler amtete, riesige Vermögenswerte in Form von Gold, Devisen und Patenten auf allen möglichen Wegen ins Ausland schaffte.
Mark Felton, ein britischer Historiker, der einen sehr erfolgreichen YouTube-Kanal betreibt, zeigte in einem Beitrag – Himmler’s Fourth Reich – SS Assets in Global Conspiracy, auf, dass die SS nicht nur märchenhaft reich wurde, unter anderem durch das Betreiben von Hunderten von KZs, sondern dass die SS ihre Leute in den Aufsichtsräten der grossen Firmen in Deutschland strategisch platzierte und somit faktisch die Kontrolle übernahmen. Am 10. August 1944 fand dann eine Sitzung im Hotel Maison Rouge in Strassbourg statt. Anlässlich dieser Sitzung, an der die grossen Industriellen teilnahmen, wurden «Untergrundaktivitäten» nach dem Untergang des 3. Reichs besprochen und die Übertragung von Vermögenswerten in neutrale Länder.
Nie wurde abgeklärt, wie diese Kapitalflüsse aussahen, wie diese riesigen Summen nach dem Krieg wieder zurückflossen und wer als Eigentümer dieser Vermögenswerte auftrat oder heute auftritt. Vereinfachte Frage: Wem gehörte denn die «Deutschland AG»? Dazu gehörten bis anfangs der 90-er Jahre etwa, die Deutsche Bank, die Allianz, MAN, VEBY, VIAG, Thyssen Krupp, Klöckner Werke, Ruhrkohle, Daimler-Benz, VW, Preussag, Hoesch, Ruhrgas, Mannesmann, BASF etc. Diese Firmen – oder ihre Vorgänger – bestanden alle bereits während der NAZI-Zeit.
Sie können davon ausgehen, dass es viele, sehr mächtige Leute gibt, die keineswegs daran interessiert sind, Klarheit über die hier aufgeworfenen Fragen zu schaffen. Zuviel Unappetitliches würde herauskommen. Es ist sehr gut möglich, dass diese Beteiligungen direkt oder indirekt durch die heute bestehenden riesigen Finanzkonglomerate wie BlackRock etc. gehalten werden, die eine Intransparenz versprechen, welche unmöglich durchbrochen werden kann – Ziel erreicht.
Fazit
„Russland wird immer ein Feind für uns bleiben“ (Wadephul), «Putin ist ein Kriegsverbrecher. Es ist vielleicht der schwerste Kriegsverbrecher unserer Zeit, den wir zurzeit im grossen Massstab sehen» (Merz). Es gibt kein Land in der Weltgeschichte, das sich gegenüber einem anderen Land dermassen grausam verhalten hat, wie Deutschland gegenüber Russland – diese Untaten liegen Dekaden, nicht Jahrhunderte, zurück.
Abgesehen davon, dass sich Merz damit nicht nur als Bundeskanzler, sondern auch als Mensch komplett disqualifiziert, beweist er, dass Deutschland kein Geschichtsverständnis hat. Im Gegensatz zu Russland übte und übt sich Deutschland nicht darin, seine Geschichte aufzuarbeiten, die Geschichte zu hinterfragen und aus ihr Lehren für die Zukunft zu ziehen. Zu verlogen wird die Geschichte dargestellt, als dass man die Energie aufzubringen gewillt ist, aufzuräumen. Diese Verlogenheit wurde von den Deutschen auf jeden Fall erkannt – zuerst unter Hitler – und dann unter dem neuen Regime, das von den USA gelenkt wurde und wird. Unter Hitler war man bereit, das Wohl der Juden und der Zivilisten in den besetzten Gebieten zu opfern, unter der neuen Regierung wurde die Geschichte geopfert, beides Mal für ein besseres wirtschaftliches Fortkommen – eine Lebenslüge und ein Pakt mit dem Teufel.
Diese Kombination von verheerenden Einflüssen – kein Geschichtsverständnis und ein Pakt mit dem Teufel – werden die Geschichte wiederholen lassen. Falls Sie Deutscher sind und diese Meinung teilen, wäre es Zeit, aufzustehen.
«Geschichtsbewusstsein: Was Deutschland von Russland lernen könnte»