Xinjiang hinter den Schlagzeilen
Bild: Felix Abt

Xinjiang hinter den Schlagzeilen

Persönliche Begegnungen mit Uiguren und Eindrücke, die nicht ins gängige Bild passen
Felix Abt
So. 14 Sep 2025 416 2

Die Ankunftsbombe: Ein Schock für gehirngewaschene Westler

Nach der Landung in Ürümqi, der Hauptstadt der Uigurischen Autonomen Region Xinjiang (allgemein bekannt als Xinjiang), ist es offensichtlich, dass die Uiguren, eine turksprachige muslimische Minderheit, hier zu Hause sind. Als ich die Ankunftshalle verließ, bemerkte ich ein Restaurantschild mit der Aufschrift „EIERBOMBE“.

Erster Eindruck von Xinjiang? Eine Bombe 💣🥚. (Eierbomben-Restaurant. Foto: Felix Abt)

Der Name impliziert geschickt, dass Xinjiang lieber für seine „Lebensmittelbomben“ bekannt sein möchte als für die Sprengsätze der Terroristen, die einst die Region und den Rest Chinas heimsuchten, wie diese Schlagzeile verdeutlicht:

„Bei einem Auto- und Bombenanschlag in Ürümqi sterben Dutzende Menschen.“ (Schlagzeile Associated Press)

Während der sogenannte Krieg gegen den Terror der USA unzählige unschuldige Zivilisten das Leben kostete, reagierten westliche Medien auf Chinas Antiterrorvorgehen mit empörter Kritik – von Vorwürfen eines angeblichen kulturellen Genozids bis hin zu physischen Menschenrechtsverletzungen. Der Doppelstandard könnte kaum deutlicher sein.

Doch während die Schlagzeilen ein düsteres Bild zeichneten, offenbarte mir die Realität vor Ort ein gänzlich anderes Szenario.

Vom Flughafen führte mich die moderne U-Bahn ins Stadtzentrum, mit Beschilderungen sorgfältig in Uigurisch, Mandarin und Englisch. An einer Haltestelle stiegen drei junge Uigurinnen ein und nahmen mir gegenüber Platz. Ihre neugierigen Blicke und die fröhliche Unterhaltung wirkten wie ein Stück alltägliches Leben. Als ich sie um ein Foto bat, begegneten sie mir nicht mit Misstrauen, sondern mit einem strahlenden, zustimmenden Lächeln.

Ein erstes Hallo in Ürümqi – jeder Blick freundlich, jedes Lächeln strahlend. 😊 (Foto: Felix Abt) 

Architektur trifft Ehrfurcht: Die Große Moschee – ein Heiligtum der Stille und Pracht

Die Große Moschee: ein beeindruckendes, imposantes Gebäude (Foto: Felix Abt)

Vor der Großen Moschee von Ürümqi, die rund 700 Gläubigen Platz bietet, begegnete ich einer großen uigurischen Familie. Ein junges Mädchen übte eifrig ihr Englisch und übersetzte die Fragen ihrer Familie: „Woher kommst du? Gefällt dir Ürümqi?“ Ihre lebhafte Neugier und das herzliche Lachen standen im spannenden Kontrast zur stillen, ehrfürchtigen Atmosphäre der Moschee hinter uns. In diesem Moment spürte ich, wie Xinjiangs Herz in seinen Menschen schlägt – offen, warm und lebendig.

Es war mir eine Ehre, ein Bild – und ein Lächeln – mit dieser freundlichen Familie zu teilen (Foto: Felix Abt)

Aus Respekt filmte ich die Gläubigen nicht, erkundete jedoch das Innere der Moschee, als sie leer war und das Filmen erlaubt war. Die Hallen strahlten eine besondere Ruhe aus: riesig und gleichzeitig intim, ein heiliger Ort zwischen den Gebeten.

Uigurische Gläubige folgten dem täglichen Gebetsruf, einem Rhythmus von Frieden und Gemeinschaft.

Gläubige treffen in der Moschee zum gemeinsamen Gebet ein. (Foto: Felix Abt)
Stille spricht Bände. Die stillen, leeren Hallen der Moschee wirken zugleich riesig und intim – ein heiliger Ort zwischen den Gebeten. (Foto: Felix Abt)

Ein freudiger Hochzeitsmoment

Bei meiner Erkundung begegnete ich einem uigurischen Paar in exquisiter traditioneller Kleidung, das sich auf seine Hochzeitsfotos vorbereitete. Die Braut leuchtete vor Freude, während der Bräutigam zunächst tief ernst wirkte. Aus einer spontanen Eingebung heraus machte ich eine kleine Geste, um die Stimmung aufzulockern – und zu meiner Freude wirkte sie! Sein strenger Ausdruck verwandelte sich in ein aufrichtiges, herzliches Lachen. Auch der Fotograf schenkte mir ein dankbares Lächeln, und was zunächst ein formelles Bild hätte werden können, verwandelte sich in eine Aufnahme voller purer, authentischer Freude.

Selbst Abschiede hier wirken wie kleine Feierlichkeiten. Ich bin dankbar, dass ich einen so eindrucksvollen Blick auf dieses bemerkenswerte uigurische Hochzeitspaar werfen durfte. (Foto: Felix Abt)

Bahnreisen in Xinjiang: Wie Investitionen und Kulturerhalt das Leben von Minderheiten unterstützen

Um sich in Xinjiang fortzubewegen, war man oft mit dem Auto oder dem Zug unterwegs. An vielen Bahnhöfen wurden Lautsprecherdurchsagen auf Mandarin und Uigurisch gegeben, wie Sie 👉 hier hören können. Für einen alleinreisenden Ausländer war das zwar eine Herausforderung, aber es kam den wichtigsten ethnischen Gruppen der Region zugute.

Chinas Sprachenpolitik spiegelt seinen umfassenderen Ansatz gegenüber Minderheiten wider. Auf den Banknoten sind fünf Schriften abgebildet: Mandarin, Uigurisch (arabische Schrift), Mongolisch, Tibetisch und Zhuang. In Xinjiang erfolgt der Unterricht vor allem auf Mandarin – der Landessprache und Muttersprache von 91 % der chinesischen Bevölkerung –, doch auch Uigurisch ist Teil des Lehrplans, ebenso wie Tibetisch in Tibet. Straßen- und Ladenschilder sind in der Regel zweisprachig gestaltet.

Aus dem Zugfenster konnte ich die massiven Investitionen in moderne Infrastruktur beobachten: Wüstenwindparks, Kraftwerke, Autobahnen, massive Brücken und ein ausgedehntes Stromnetz – alles mit dem Ziel, Millionen Menschen aus der Armut zu befreien.

Die Zukunft zeichnet sich am Horizont ab: saubere Energie, große Visionen und der Wille des Windes (Foto: Felix Abt)

Xinjiang lag jahrhundertelang am Knotenpunkt der Seidenstraße. Seine Oasen und Gebirgspässe verbanden Ostasien mit Zentralasien und darüber hinaus. Karawanen, die die Taklamakan-Wüste und das Tianshan-Gebirge durchquerten, transportierten nicht nur Waren, sondern auch Religionen, Sprachen und künstlerische Traditionen – und hinterließen so einen bleibenden kulturellen Eindruck in der Region.

Man kann fast die Glocken hören, fast die Gewürze riechen – ein lebendiges Zeugnis von Mut und Anmut, das die Imperien entlang Xinjiangs Seidenstraße einst bewegte. (Foto: Felix Abt)

Xinjiangs geografische Lage verleiht der Region auch heute noch zentrale Bedeutung. Sie grenzt an acht Länder und ist ein wichtiger Knotenpunkt der Belt-and-Road-Initiative. Neue Eisenbahnlinien und Autobahnen folgen den alten Karawanenpfaden und verbinden China wieder mit der Welt.

Auf einer Reise saß ich neben einem uigurischen Paar. Ihr Mandarin war, wie bei vielen anderen Uiguren, begrenzt, und meine Übersetzungs-App unterstützte kein Uigurisch. Dennoch kommunizierten wir mühelos – durch Lächeln, Gesten und ein paar gemeinsame Fotos.

Auf den Spuren der Uiguren! Dieses Selfie fängt das Beste der Reise ein: die freundlichen und neugierigen Menschen, die ich unterwegs in Xinjiang traf. (Foto: Felix Abt)

Wie bereits erwähnt, fühlten sich Zugreisen hier oft wie ein echtes Abenteuer an. Durchsagen kamen nur auf Mandarin und Uigurisch; Englisch war selten zu hören. Doch die Mitreisenden waren stets freundlich und hilfsbereit – selbst wenn die Verständigung nur über Gesten und Lächeln funktionierte.

Himmlischer See: Xinjiangs Naturwunder

Xinjiang ist ein Land der Extreme – von endlosen Wüsten bis zu schroffen Bergketten, die dramatisch in den Himmel ragen.

Von oben zeigt sich die Region als weitläufiges Mosaik: erdige Brauntöne verschmelzen mit lebendigem Grün, alles verbunden durch die neue Architektur des Wachstums. (Foto: Felix Abt)

Bei langen Autofahrten kämpfte die Klimaanlage mit der unerbittlichen Hitze, die oft über 44,5 °C stieg. Doch als wir in die Berge hinauffuhren, sanken die Temperaturen und boten eine erfrischende Abwechslung.

44,5 °C im Auto – Sauna-Feeling pur. (Foto: Felix Abt)

Doch das wahre Wunder erwartete uns hoch oben in den Bergen: der „Himmlische See“. Sein Name ist Programm. Tiefblaues Wasser spiegelt die schneebedeckten Gipfel wider, während Wasserfälle in stille Täler stürzen – ein Anblick so atemberaubend, dass er fast mythisch wirkt.

Man muss es gesehen haben, um zu verstehen, warum er Himmlischer See heißt. (Foto: Felix Abt)

Der Legende nach schwammen einst Drachen durch diese Gewässer – wer in die Tiefen blickt, kann sich leicht in diese Geschichte hineinversetzen.

Die Ufer waren belebt: Han-Chinesen und uigurische Familien gleichermaßen. Ein paar uigurische Touristen baten mich, Fotos mit ihnen zu machen – einem westlichen Besucher. Für einen Moment fühlte ich mich nicht nur als Beobachter, sondern als Teil der Landschaft, als Teil des Augenblicks.

Eine menschliche Geschichte jenseits der Grenzen: Uiguren und westlicher Besucher teilen einen Moment der Verbundenheit. (Foto: Felix Abt)

👉 Ein einzelner Beitrag kann diesem Ort nicht gerecht werden – bald werde ich ein Video auf meinem Kanal veröffentlichen, um die ganze Schönheit und Magie des Himmlischen Sees einzufangen.

Disclaimer für Voreingenommene: Meine Reise durch Xinjiang war vollkommen unabhängig – keine behördliche Genehmigung, kein Aufpasser, alle Kosten aus eigener Tasche. Authentische Einblicke statt Propaganda.

Jugendkultur im Alltag und uigurische Küche

Ich war fasziniert von der lebendigen Energie der jungen Leute hier – sie unterhielten sich angeregt auf Uigurisch, scherzten und lachten und verwandelten manchmal sogar alltägliche Hindernisse in verspielte Klettergerüste. Ihr Stil war eine moderne Fusion, die mühelos sowohl globale als auch chinesische Modetrends verband.

Im Lachen der uigurischen Jugend lag ein vertrauter Rhythmus – eine Erinnerung daran, dass Neugier, Träume und TikTok-Tänze keine Grenzen kennen (Foto: Felix Abt).

Dieser zeitgenössische Geist bildete einen wunderbaren Kontrast, als mir eines Abends eine junge Frau köstliches uigurisches Essen servierte, liebevoll zubereitet von ihrer Mutter. Das Probieren dieser authentischen Hausmannskost wurde zu einem sofortigen Höhepunkt meiner Reise. Während sich die Tochter mit dem Selbstbewusstsein einer Weltbürgerin bewegte, trugen sowohl sie als auch ihre Mutter traditionelle muslimische Kopftücher – eine anmutige Anspielung auf ihr Erbe, die Bände über ihren Stolz und ihre kulturelle Kontinuität sprach.

Restaurant-Szene: Die Tochter serviert das Essen, während die Mutter in der Küche wirkt (Foto: Felix Abt)

Diese Mischung aus Tradition und Moderne war allgegenwärtig. Ich traf eine uigurische Ladenbesitzerin, deren Geschäftssinn ihrem kulturellen Stolz entsprach: Sie verkaufte eine sorgfältig ausgewählte Kollektion modischer Kopftücher und verband damit Tradition mit dem modernen Alltag.

Ladenbesitzerin mit Kopftuch in ihrem Geschäft (Foto: Felix Abt)

Andere Geschäfte, wie das unten abgebildete, empfingen mich mit lebendigen, rhythmischen Klängen uigurischer Musik, die bis auf die Straße drang – eine unwiderstehliche akustische Einladung, hereinzukommen.

Uigurisches Geschäft mit lebendiger Musik, 👉 Originalsound hier.

Xinjiangs landwirtschaftlicher Reichtum: Bauernhöfe, Märkte und Lokalstolz

Xinjiang wird oft als Chinas Kornkammer bezeichnet – und eine Reise durch die Region macht deutlich, warum. Goldene Weizen- und Sonnenblumenfelder erstrecken sich bis zum Horizont, Weinberge bringen Qualitätsweine, Obstgärten tragen Nüsse und Obst, und Melonen gelten als die süßesten der Welt. Das Land ist im Überfluss vorhanden.

Diese Fruchtbarkeit beruht auf einer jahrhundertealten Beziehung zum Wasser. Geniale Karez-Systeme – durch Schwerkraft gespeiste unterirdische Kanäle – leiteten Schmelzwasser aus dem Tianshan-Gebirge in die Wüste. Von Hand gegraben und durch Tunnel und Brunnen miteinander verbunden, transportierten sie das Wasser kilometerweit bergab und brachten es ohne Pumpen oder Verdunstungsverluste direkt auf die Felder.

Alter Einfallsreichtum, Überleben in der Wüste: Von erfahrenen Wassermeistern verwaltet und von den Gemeinden gepflegt, ermöglichten die Karez das Leben in Oasen und gelten als Wunderwerk nachhaltiger Ingenieurskunst, das das Leben entlang der Seidenstraße prägte. (Foto: Felix Abt)

Dieses Erbe lebt weiter, wenn auch in einem neuen, gewaltigen Ausmaß. Moderne Kanäle und riesige Bewässerungsanlagen ziehen sich heute durch die trockenen Länder und verwandeln einst karge Erde in ein Meer aus Baumwolle und Tomaten. Es ist eine Geschichte des Wandels: üppige, grüne Felder, die in starkem Kontrast zur Wüste gedeihen und vom Wasser der Berge genährt werden.

Dieses Foto zeigt die Geschichte der Felder Xinjiangs: eine Geschichte der Beharrlichkeit, geschrieben im Wasser und geprägt durch ein Netz handgefertigter Kanäle. (Foto: Felix Abt)

Die Landwirtschaft verändert sich rasant. Baumwolle, einst von Hand gepflückt, wird heute von riesigen Maschinen geerntet. Fabriken, die lokale Produkte verarbeiten, schaffen stabile, besser bezahlte Arbeitsplätze, während neue Wohnblöcke und Industrieanlagen als Symbole des Fortschritts unter dem weiten Himmel Xinjiangs entstehen.

Mit dem Zug durch Xinjiang – vorbei an neuen Industrieparks und Wohnsiedlungen. (Foto: Felix Abt)

Doch trotz dieser Modernisierung steht der menschliche Geist im Mittelpunkt der Ernte. Die Bauern sind sichtlich stolz auf ihre Arbeit. Ein uigurischer Melonenbauer platzierte sogar sein Porträt auf der Verpackung – ein markantes Zeichen für Qualität und Identität, das seinen Namen und sein Gesicht vom Feld bis auf den Tisch in ganz China trägt.

Stolz präsentiert ein Bauer seine Wassermelonen. (Foto: Felix Abt)

In einem uigurischen Obstladen bestaunte ich Wassermelonen, die so massiv waren, dass sie wie Felsbrocken wirkten – manche wogen bis zu 20 Kilo. Als ich mich abmühte, eine hochzuheben, erntete ich Gelächter vom Ladenbesitzer, dessen Freude der Großzügigkeit seiner Produkte entsprach. Dieser einfache Austausch spiegelte perfekt den Geist der Ernte in Xinjiang wider.

Wenn die Wassermelone schwerer ist als dein Koffer – Ernte in Xinjiang. (Foto: Felix Abt)

Anderswo in China habe ich Cappuccinos getrunken, die von Robotern zubereitet wurden, wie ich in meinem Video 👉 „Chinas Zusammenbruch – oder ist die Zukunft schon da?“ gezeigt habe. In Xinjiang hingegen ist Kaffee ein Ritual. Die Tassen werden in heißen Sand eingegraben, damit der Kaffee langsam brüht und sein charakteristisches Aroma sowie seine Fülle entfaltet. Sorgfältig eingeschenkt, kräftig und doch mild, ist er mehr als nur ein Getränk – er verkörpert jahrhundertealte uigurische Gastfreundschaft, tief verwurzelt im Leben der Wüste.

Ein Uigure bereitet Kaffee auf traditionelle Weise zu (Foto: Felix Abt)

Zuzusehen, wie es zubereitet wird, das Aroma einzuatmen und den ersten Schluck zu genießen, war ein kleiner, aber unvergesslicher Moment – ​​ein Hauch von Kultur, der Reisen lebendig und unvergesslich macht.

Leben auf dem Land: Kasachische und uigurische Gemeinschaften

Eine herzliche, kontaktfreudige Kasachin, die in einem Holzhaus inmitten einer Gemeinschaft uigurischer Jurten lebte, bescherte mir eine meiner unvergesslichsten Begegnungen. Obwohl ich ihren Vornamen vergessen habe, war sie auf WeChat unter dem Namen Miao bekannt. Als Absolventin der Universität Xinjiang sprach sie Englisch und erzählte Geschichten über die tiefen Wurzeln ihrer Familie in der Region. Während wir uns unterhielten, begrüßte uns ihre Mutter – die eine seit Generationen überlieferte Tradition fortführt – mit Tee und lokalen Snacks, während Miao das Kasachische ihrer Mutter für mich ins Englische übersetzte.

Die wahren Schätze der Graslandschaften Xinjiangs liegen nicht nur in ihren Landschaften, sondern auch in bescheidenen Häusern wie diesem, wo eine kasachisch-chinesische Mutter und ihre Tochter mir mit herzlicher Wärme und Gastfreundschaft begegneten. (Foto: Felix Abt)

Zu Hause sprach Miao Kasachisch; mit ihren Nachbarn kommunizierte sie mühelos auf Uigurisch, und mit Han-Chinesen sprach sie Mandarin – ein lebendiges Spiegelbild der kulturellen Vielfalt Xinjiangs. Die Atmosphäre war von einer harmonischen Leichtigkeit geprägt. Einmal begannen Miao und ihre uigurischen Nachbarn spontan zu tanzen. 👉 In dem auf meinem X-Konto hochgeladenen Videoclip sehen Sie einen kurzen Ausschnitt dieses Moments.  

Ich glaube nicht, dass es mir zuliebe geschah, aber sie ließen mich den Moment freundlicherweise festhalten – ein freudiger und authentischer Ausdruck des gemeinsamen Lebens, den ich hier gerne teile.

Inmitten der Wärme und Freundlichkeit von Miaos uigurischen Nachbarn. (Foto: Felix Abt)

Abschließende Gedanken: Xinjiang jenseits der Schlagzeilen

Auf meiner Reise begegnete ich vielen strahlenden Uiguren, manchmal, so vermute ich, angeregt durch den Anblick eines seltenen westlichen Besuchers wie mir. Was mir am meisten im Gedächtnis blieb, war die Beobachtung von Minderheitengemeinschaften – Uiguren, Kasachen und anderen –, die ein Gefühl von Stolz, Freude und Zufriedenheit ausstrahlten. Dies steht in krassem Gegensatz zum Umgang mit Minderheiten anderswo.

In der Ukraine beispielsweise hat der Staat Maßnahmen ergriffen, die die Rechte der russischsprachigen Minderheit stark einschränken: Ihre Sprache wurde weitgehend verboten, ihre politischen Parteien verboten, ihre Medien unterdrückt und ihre Kirche mit ihrem Besitz zerschlagen. In Xinjiang hingegen wird die uigurische Kultur nicht unterdrückt, sondern im Rahmen der nationalen Gesetzgebung und Entwicklung aktiv bewahrt und gefördert. Es ist daher bemerkenswert, dass viele westliche Politiker, Aktivisten und Medien, die häufig unbegründete Anschuldigungen des „Völkermords“ in Xinjiang erheben, auffällig schweigen, wenn es um den tatsächlichen kulturellen Genozid an der russischen Minderheit in der Ukraine geht.

Sprachliche Harmonie im Blick: Ladenschilder in einer Stadt in Xinjiang, sowohl auf Mandarin als auch auf Uigurisch. (Foto: Felix Abt)

Diese selektive Empörung unterstreicht nur, wie wichtig es ist, über voreingenommene Narrative hinauszublicken. Meine Reisen rund um den Globus haben nicht immer denselben Geist der Harmonie offenbart, den ich hier erlebt habe. Das macht meine Zeit in Xinjiang zu einem noch besonderen, erhebenden und unvergesslichen Erlebnis.

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Ein weiterer Blick in das Fotoalbum des Autors

(Copyright: Felix Abt)

Momentaufnahme aus Ürümqi (Foto: Felix Abt)

Ürümqi ist eine geschäftige Provinzhauptstadt, die wie ihre Pendants in ganz China in den letzten Jahrzehnten ein bemerkenswertes Wirtschaftswachstum erzielt hat. Dieser Fortschritt bringt die gemeinsame Herausforderung von Verkehrsstaus mit sich und erfordert Lösungen wie neue Buslinien und U-Bahn-Linien, die derzeit geplant oder gebaut werden.

Ticketautomat in einer U-Bahn-Station in Ürümqi (Foto: Felix Abt)

In Ürümqi bezahlen die meisten Menschen ihre U-Bahn-Tickets elektronisch mit ihrem Handy, Bargeld wird jedoch weiterhin akzeptiert. Für ausländische Besucher ist die Orientierung im System einfach: Der Fahrkartenautomat zeigt Informationen nicht nur auf Uigurisch, wie hier zu sehen, und Mandarin, sondern auch auf Englisch an, was die Stadt für Durchreisende ein wenig einladender macht.

Die U-Bahn selbst steht vor einem Wandel. Die derzeitige Einzellinie wird bald durch Linie 2 ergänzt. Linie 3 ist bereits in Planung und die ehrgeizige Vision sieht ein zehnteiliges Netz bis 2030 vor. Wer heute auf dem Bahnsteig steht, kann sich leicht eine nahe Zukunft vorstellen, in der der öffentliche Nahverkehr in Ürümqi ein größeres, schnelleres und besser vernetztes Stadtgefüge schafft.

Ingenieursleistung im Herzen Eurasiens. Isolation in Chancen verwandeln. (Fotos: Felix Abt)

Xinjiangs Landschaft wird durch neue Brücken, Tunnel und Straßen neu gestaltet. Diese weitläufige Infrastruktur besteht aus mehr als nur Beton und Stahl – sie bildet ein strategisches Netzwerk, das die Wirtschaft ankurbeln, die Konnektivität verbessern und Xinjiangs Rolle in der Belt and Road Initiative festigen soll. Es ist eine enorme Anstrengung, die geografische Isolation zu überwinden, die Region in die Welt zu integrieren und im Rahmen der chinesischen Politik des „geteilten Wohlstands“ mehr Wohlstand für alle Bürger zu fördern.

Foto: Felix Abt

Es ist kein gewöhnlicher Döner Kebab, den man hier sieht, sondern das uigurische Original: Çağür Kebab (چاغۇر كاۋاپ). Dabei handelt es sich um die uigurische Variante von rotierendem Grillfleisch – der Name bedeutet wörtlich „rotierender Kebab“. Anders als der bekannte Sandwich-Döner wird Çağür Kebab fast immer auf einem Teller serviert.

Foto: Felix Abt

Die beiden freundlichen uigurischen Männer oben betreiben einen mobilen Çağür Kebab-Laden von einem geschickt umgebauten Motorrad aus.

Begegnung mit einer uigurischen Bäuerin bei der Feldarbeit (Foto: Felix Abt)

Ich beobachtete, wie uigurische Bauern dieselben fruchtbaren Oasen wie ihre Vorfahren bearbeiteten, nur eben mit den Werkzeugen von heute. Sie sind der Grund, warum der Duft von Melonen, Trauben und Aprikosen noch immer die Luft entlang der alten Seidenstraße erfüllt.

Uigurischer Obsthändler mit mobilem Obststand (Foto: Felix Abt)

Die Flaschen links enthalten Kelimazi, ein kohlensäurehaltiges Getränk aus fermentiertem Getreide, das den Einheimischen hilft, die Sommerhitze zu überstehen. Diese süß-saure Erfrischung ist ein flüssiger Geschmack der Seidenstraßentradition.

Aus sonnenverwöhnten Weinbergen und uralten Obstgärten stammt Xinjiangs legendärer Snackmix: pralle, süße Rosinen, riesige, spritzige Aprikosen und gehaltvolle Walnüsse, vermischt mit knackigen Mandeln und edelsteinartigen Beeren. Es ist der zeitlose, energiereiche Treibstoff für Nomaden und moderne Feinschmecker gleichermaßen – ein süßer und herzhafter Geschmack von Geschichte, den man in der Hand halten kann.

Uigurischer Laden mit einer reichen Auswahl an Nüssen und getrockneten Früchten (Foto: Felix Abt)

Heute ist Xinjiang international vielleicht eher für seine Baumwolle und Tomaten bekannt, doch sein Ruf für Weintrauben ist sowohl historisch als auch kulturell bedeutsam. Das kontinentale Klima der Region – mit langen, heißen, sonnigen Tagen, kühlen Nächten, minimalen Niederschlägen und gut durchlässigen Sandböden – schafft ideale Bedingungen für den Weinanbau, der Früchte mit hohem Zuckergehalt, reichem Geschmack und intensivem Aroma hervorbringt. Weintrauben werden seit über 2.000 Jahren entlang der Seidenstraße in Xinjiang angebaut.

Zu Besuch bei uigurischen Weinbauern (Foto: Felix Abt)

Westliche Winzer, schnallt euch an: Xinjiang-Weine marschieren in eure Regale! Eure einzige Rettung? Schnell eure Regierungen dazu bringen, in Windeseile eine „Zwangsarbeits“-Story zu erfinden – damit diese Flaschen niemals das Licht eures Weinregals erblicken. Amerikanische Baumwollfarmer haben’s vorgemacht. Wer hätte gedacht, dass guter Wein – genau wie Baumwolle und Textilien – plötzlich ein geopolitischer Schachzug sein könnte? Prost!

Mitten in riesigen Sonnenblumenfeldern (Foto: Felix Abt)

Der Wert der Sonnenblume geht weit über ihre Schönheit hinaus. Sie ist eine vielseitige Nutzpflanze, die Speiseöl, Snacks, Tierfutter und sogar Biokraftstoff liefert. Darüber hinaus kommt sie der Umwelt zugute, indem sie den Boden entgiftet und Bestäuber unterstützt. Angesichts der perfekten Wachstumsbedingungen in Xinjiang – reichlich Sonnenlicht und erhebliche tägliche Temperaturschwankungen – ist es die ideale Region für diese riesigen, goldenen Felder.

Uiguren beim Trommeln (Foto: Felix Abt)

Die Uiguren haben eine starke Trommeltradition, wobei die Trommel „Dap“ aufgrund ihrer integralen Rolle im verehrten Muqam die kulturell bedeutendste Trommel ist. Andere Trommeln wie die Naghra und die Dohl ergänzen die reiche perkussive Landschaft der uigurischen Musik, die ein lebendiger Ausdruck ihrer kulturellen Identität ist. „Muqam“ ist keine Person. Es ist der Name für die große, klassische Musiktradition des uigurischen Volkes. Man kann es sich als ein weitläufiges und anspruchsvolles Musiksystem vorstellen, das oft mit dem persischen Dastgah, dem aserbaidschanischen Mugham oder dem indischen Raga verglichen wird. Es ist der Eckpfeiler der uigurischen Kultur und eine der bedeutendsten Musiktraditionen in ganz Zentralasien.

Ältere Uigurinnen mit traditioneller Kopfbedeckung im Gespräch, zusammen mit jüngeren Familienmitgliedern in einem Park (Foto: Felix Abt)

Der Anblick meist älterer uigurischer Frauen mit Kopftuch erinnert eindringlich an die tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen in Xinjiang. Was auf den ersten Blick alltäglich erscheint, hat mehrere Bedeutungen: einen natürlichen Generationswechsel hin zu moderner Mode; die offizielle Ablehnung religiöser Symbole wie Kopftuch und Bart – verbunden mit vergangenem Radikalismus und anhaltenden Bedenken, da uigurische Militante, die zum Sturz einer säkularen Regierung in Syrien beigetragen haben, mit einer Rückkehr nach China und der Verübung von Terroranschlägen gedroht haben; und die stillen, strategischen Entscheidungen jüngerer Uiguren, sich anzupassen, um bessere Karrierechancen zu haben. Aus diesem einzelnen Detail erwächst ein Gefühl der sich entwickelnden Identität, der laufenden Anpassung und eines umfassenderen kulturellen Wandels, der das tägliche Leben in der Region prägt, auch wenn die uigurische Sprache und ein Großteil der Kultur weiterhin Bestand haben.

Junge Uigurin in traditionellem Kleid (Foto: Felix Abt)

Die traditionelle uigurische Kleidung, die hier beispielhaft dargestellt ist, wird bei Festen und bedeutenden Feierlichkeiten getragen. Dieses elegante Kleidungsstück, oft ein langes, locker sitzendes Gewand oder ein fließendes einteiliges Kleid, wird traditionell über der Hose getragen. Sein auffälligstes Merkmal ist der sorgfältig bestickte Ausschnitt, der ein Stehkragen oder ein offener Kragen sein kann. Getragen bei wichtigen Ereignissen wie Nouruz (persisches Neujahrsfest), Hochzeiten und religiösen Feiertagen, spiegelt die Pracht des Kleides die tiefe Freude und kulturelle Bedeutung des Anlasses wider.

Die Bank of China in Ürümqi zeigt stolz ihren Namen auf Uigurisch, Mandarin und Englisch – ein kleines, aber unmissverständliches Zeichen der Inklusion und kulturellen Anerkennung. Die Schweiz verfolgt einen ähnlichen Ansatz und berücksichtigt Minderheitensprachen in Schulen, Behörden und öffentlichen Räumen. Die Ukraine hingegen geht den umgekehrten Weg: Beschilderungen sind nur auf Ukrainisch und Englisch erlaubt, während Russisch – die Sprache von Millionen – ausdrücklich verboten ist.

Vor Geschäftsgebäuden mit Beschriftungen in Mandarin und Uigurisch (Foto: Felix Abt)

Doch viele der lautstärksten Kritiker des chinesischen „kulturellen Völkermords“ in Xinjiang zeigen sich von den massiven Einschränkungen in der Ukraine erstaunlich unbeeindruckt. Inklusion gilt hier als edel, Exklusion dort als verzeihlich – kultureller Völkermord scheint nur eine Frage politischer Zweckmäßigkeit zu sein. Selbstverständlich muss das weitläufige westliche antichinesische Ökosystem – NGOs, Aktivisten, Akademiker, Journalisten – seine Maschinerie unablässig mit neuen Anschuldigungen und Skandalen füttern. Sollte man etwas anderes erwarten?

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👉 Worte und Fotos können nur begrenzt etwas vermitteln. Für eine noch intensivere Reise mit lebendiger Atmosphäre schauen Sie sich das Video auf meinem YouTube-Kanal an.

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2 Kommentare zu
«Xinjiang hinter den Schlagzeilen»
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